Offene Immobilienfonds: Zwischen Hoffen und Bangen
FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch über denkwürdige Entwicklungen am Markt der Immobilienfonds.
Die Überschrift der Kundeninformation liest sich zunächst unspektakulär: "Information zur Aussetzung der Auszahlung des Rückgabepreises des LLB Semper Real Estate" klingt sperrig, aber nicht dramatisch. Doch das Schreiben hat es in sich: Die Anleger des offenen Immobilienfonds LLB Semper Real Estate kommen zumindest vorübergehend nicht mehr an ihr Geld. Die liquiden Mittel des österreichischen Fonds sind in den vergangenen Wochen derart geschrumpft, dass der Anbieter nicht mehr alle Rückgabewünsche der Anleger erfüllen kann. Nun muss das Management in den nächsten Monaten versuchen, neue Liquidität zu beschaffen, etwa durch Immobilienverkäufe. Gelingt das nicht, muss in zwei Jahren wahrscheinlich der nächste Schritt eingeleitet werden: die Abwicklung des Portfolios.
Der Fall versetzt Branchenkenner schlagartig zurück in die Hochzeiten und Nachwehen der Finanzkrise. Nach der Lehman-Pleite musste ein gutes Dutzend offener Immobilienfonds aus Deutschland zunächst eingefroren und dann abgewickelt werden. Das war nicht nur für viele Anleger ein Desaster, sondern auch für den Vertrieb. Einige Anbieter hatten ihren Ruf so ruiniert, dass sie bei alteingesessenen Vermittlern heute noch auf Vorbehalte treffen.
Wähnt sich die Branche zu Recht in Sicherheit?
Um die Anlageklasse zu retten, führte der Regulator mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) Mindesthalte- und Kündigungsfristen ein. In Österreich reagierte der Gesetzgeber deutlich später: Entsprechende Fristen gelten zunächst nur für 2022 und später aufgelegte Fonds. Bestehende Fonds müssen die Regeln erst in einigen Jahren umsetzen – für den LLB Semper Real Estate kam die Änderung zu spät.
Dank der KAGB-Fristen wähnt sich die deutsche Branche in Sicherheit. Doch ob die Fristen tatsächlich ausreichen, um das grundlegende Dilemma der offenen Immobilienfonds zu lösen, ist offen: Eine vergleichsweise hohe Liquidität verträgt sich nun mal nicht mit illiquiden Investments. Klar, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist lässt dem Management Zeit, Liquidität zu beschaffen, falls nötig also ein Objekt zu verkaufen. Bleibt der Immobilienmarkt jedoch weiterhin so angespannt wie aktuell, wird das schwierig. Zur Erinnerung: Nach der Lehman-Pleite gelang es den allermeisten eingefrorenen Fonds nicht, innerhalb von zwei Jahren so viele Objekte zu veräußern, um alle ausstiegswilligen Anleger auszahlen zu können.
Panik ist nicht angebracht – wird aber dennoch geschürt
Kündigen die Anleger also in Scharen ihre Anteile, stehen die Manager trotz der neuen Fristen vor einer enormen Herausforderung. Panik ist zum Glück nicht angebracht. Zum einen sitzen die deutschen Fonds auf einem vergleichsweise großen Cash-Berg, mit dem sie zahlreiche Rückgabewünsche erfüllen können. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, ihre bislang recht niedrige Fremdkapitalquote zu erhöhen, bevor sie ans Eingemachte – also Objekte verkaufen – müssen.
Erste Warnzeichen sind jedoch schon auszumachen: Viele Fonds verzeichnen mittlerweile Nettomittelabflüsse, auch wenn diese noch sehr gering ausfallen. Die vor zwölf Monaten eingereichten Kündigungen übersteigen mittlerweile also die Neuanlagen. Und vor wenigen Tagen empfahl der reichweitenstarke Verbraucher-Newsletter "Finanztip" seinen Lesern, einen Verkauf ihrer offenen Immobilienfonds zu prüfen. Wer selbst nicht investiert sei, solle den Newsletter bitte an Betroffene weiterleiten. Wie gesagt: Panik ist eigentlich nicht angebracht. Umso unverantwortlicher ist es, Panik zu schüren.