Lücke zwischen Sparbuch und Kryptowährungen schließen
Die Vorsorgeindustrie bräuchte mindestens so viel Aufmerksamkeit wie die Kryptobranche, sagt FONDS professionell-Redakteurin Edith Humenberger-Lackner.
Ja, ok, wir mögen Bitpanda auch. Dass ein Wiener Startup mit der super-revolutionären Blockchaintechnologie innert nur zehn Jahren europaweit Anlegerherzen erobert, lässt uns ein bisschen aufrechter über das Finanzparkett schreiten. Bitpanda verleiht uns – einer Nation gelernter Sparbuchbesitzer – einen fortschrittlicheren Außenanstrich.
Von daher lässt sich der beachtliche Promi-Auflauf nachvollziehen, als Bitpanda im Oktober einen Security Token in den Handel brachte – den ersten auf einer europäischen Publikumsplattform überhaupt. Anwesend waren unter anderen auch aktive und ehemalige Politiker von Rang und Namen. Premieren sind die Spezialdisziplin von VIPs, weshalb ihr Auftauchen bei einer Launch-Party kaum überrascht. Fachlich lässt sich hingegen sagen: Es gibt andere Finanzsparten, die mindestens so viel Aufmerksamkeit verdient hätten.
Viel Aufmerksamkeit für eine Nische
Der "Steelcoin" – so heißt der erste auf Bitpanda gehandelte Security Token – ist ein extremes Nischenprodukt. Es ist allenfalls geeignet für vereinzelte Anleger, deren Marktkenntnis ausreicht, um auf die komplexe Preisdynamik gewisser Stahlprodukte zu spekulieren (die Redaktion berichtete). Security Token an sich gibt es seit Jahren. Neu ist nur der leichtere Zugang über Bitpanda als Endanleger-Plattform. Nüchtern betrachtet handelt sich um nichts anderes als um Wertpapiere, ähnlich einer Aktie, einer Anleihe oder einem Fonds. Nur halt, dass ihr Handel technisch auf der Blockchain abgewickelt wird. Man stelle sich einmal die verblüfften Gesichter bei einer Erste Asset Management, einer Raiffeisen KAG oder einer Amundi Austria vor, würde ihnen bei der Auflage eines neuen Fonds eine Schar von Polit-Celebrities in Jubelstimmung die Türen eindrücken.
Davon können traditionelle Kapitalanlagegesellschaften nur träumen. Zwar haben sie Produkte im Angebot, deren langfristige Tauglichkeit für die Finanzvorsorge der Bürger belegt ist. Doch noch nie sah man die Politik deshalb mit Sektflaschen ausrücken. Im Gegenteil. Wenn es in den letzten Jahrzehnten darum ging, die Bedingungen für die persönliche Veranlagung am Kapitalmarkt zu verbessern, agierten die jeweiligen Regierungsparteien entweder lust- oder leider erfolglos. Der Weg einer gesetzlichen Stärkung der privaten Vorsorge über den Kapitalmarkt ist gesäumt von verwaisten Produkten (prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge), nicht angegangenen Reformnotwendigkeiten (betriebliche Säule stärken) und gescheiterten Vorhaben (KESt-Befreiung für Kleinanleger nach Ablauf einer Behaltefrist).
Überlegung zum Weltspartag
Und so kommt es, dass zwischen dem konservativen Sparbuch und progressiven Kryptoinvestments in österreichischen Anlegerportfolios oft eine eigenwillige Lücke klafft. Anlässlich des nahenden Weltspartages Ende Oktober rufen Finanzberater und -unternehmen auch heuer wieder reihenweise ihre Kunden dazu auf, doch bitteschön abseits des Sparschweins die langfristig vorteilhaftere Wertpapierveranlagung nicht zu vergessen. Wenn die Politik die Asset-Management-Branche so umgarnen würde wie die angesagte Kryptosparte, ließe sich zum Vorteil der Anleger mehr erreichen.
Vielleicht könnten sich alteingesessene Finanzhäuser von den Kryptoprovidern auch ein wenig mehr Mut zur Inszenierung abschauen. Mit Gewissheit werden jedoch "Seitenblicke"-fähige Partys allein nicht ausreichen, um die schwache private Vorsorge in Österreich anzukurbeln. Um Modelle aus einem Guss aufzustellen – zum Beispiel nach dem erfolgreichen Vorbild mancher nordischer Staaten – muss die Politik ans Werk.