Die Europäische Zentralbank steht möglicherweise kurz davor, ihre Zinssenkungen zu pausieren oder sogar ganz zu beenden. "Wir nähern uns dem Punkt, an dem wir unsere Zinssenkungen möglicherweise unterbrechen oder einstellen müssen", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel in einem Interview mit der "Financial Times". "Diese Diskussion müssen wir jetzt beginnen."

Als ersten Schritt schlug Schnabel vor, dass die Währungshüter bei ihrer März-Sitzung prüfen, ob sie in ihrer Erklärung zur Zinsentscheidung die Formulierung streichen, dass die Geldpolitik die Wirtschaft der Eurozone weiterhin bremse.

Märkte reagieren auf Schnabels Aussagen
Schnabel betonte, sie sei sich nicht mehr sicher, ob die aktuelle Geldpolitik noch als restriktiv einzustufen sei. Nach ihren Äußerungen reduzierten Händler ihre Erwartungen an weitere Zinssenkungen der EZB: Für 2025 preisen Investoren nun nur noch 72 Basispunkte an Lockerungen ein, verglichen mit 76 Basispunkten vor ihrer Aussage. Der Euro legte daraufhin leicht zu.

Eine weitere Zinssenkung im März gilt als wahrscheinlich, doch über diesen Punkt hinaus dürfte die EZB-Strategie umstrittener werden. Während einige Notenbanker auf eine schwächelnde Wirtschaft verweisen und eine lockere Geldpolitik befürworten, warnen andere davor, strukturelle Schwächen mit Zinssenkungen zu überdecken.

Inflationsrisiken und Konjunkturschwäche
Analysten erwarten, dass der Leitzins bis 2026 auf 1,75 Prozent fallen könnte. Ein zentraler Orientierungspunkt für einige Experten ist der neutrale Zinssatz, der das Wachstum weder dämpft noch stimuliert. Die EZB schätzt diesen Wert auf 1,75 bis 2,25 Prozent, betont aber, dass diese Berechnung nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen sollte.

Die Inflation in der Eurozone stieg im Januar auf 2,5 Prozent, während das Zwei-Prozent-Ziel für 2025 weiterhin als erreichbar gilt. Allerdings könnten steigende Energiepreise und mögliche US-Zölle dies verzögern. Gleichzeitig wächst die Sorge, dass die schwache Wirtschaftsentwicklung die Inflation langfristig nach unten ziehen könnte.

Die Wirtschaftsleistung der Eurozone wuchs im letzten Quartal 2024 lediglich um 0,1 Prozent – auch für 2025 wird nur schwaches Wachstum erwartet. Schnabel sieht weiterhin Aufwärtsrisiken für die Inflation, vor allem durch hohe Dienstleistungspreise und Löhne, deren erwartete Verlangsamung sich erst noch bestätigen müsse. (mb/Bloomberg)