Zinssenkungshoffnung verdrängt Zollängste: Wall Street im Risikomodus
US-Aktienanleger setzen verstärkt auf Risiko – getrieben von der Hoffnung auf baldige Fed-Zinssenkungen. Trotz Trumps Handelszöllen eilt der S&P 500 von Rekord zu Rekord. Doch manche warnen vor einer gefährlichen Entkopplung von der Realität.
Anleger an der Wall Street greifen derzeit verstärkt zu Risikoanlagen – in der Erwartung, dass sinkende Zinsen der US-Wirtschaft weiteren Schub geben. Diese hat den Belastungen durch Donald Trumps Handelskrieg bislang standgehalten. Am Mittwoch (13.8.) deuteten die Kurse auf einen erneuten Rekordlauf hin – angeführt von Small Caps, Schwellenländeraktien und Halbleiterwerten. Von Volatilitätsindizes über spekulative Bankanleihen bis hin zu Kryptowährungen senden die Märkte weltweit Signale von Optimismus.
"Welche Zölle? Wen interessiert das?"
Sorgen, ob Zölle und unklare Wirtschaftspolitik das Wachstum dämpfen, werden überstrahlt von starken US-Technologiegewinnen. Konjunkturdaten zeigen einen schwächelnden Arbeitsmarkt und eine Inflation im Rahmen der Erwartungen – Spielraum für eine Zinssenkung der Fed. Einige Investoren befürchten jedoch, dass die Märkte zu schnell gestiegen sind, da die Zollfolgen erst verzögert spürbar werden.

"Die Stimmung ist überraschend optimistisch – fast so, als würde gesagt werden: 'Welche Zölle? Wen interessiert das?'", erklärte Neil Birrell, Investmentchef bei Premier Miton Investors.
Wetten auf kräftige Zinssenkung
Die Märkte preisen eine 90-Prozent-Wahrscheinlichkeit für eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte im September ein – einige erwarten mehr. "Wir sollten wahrscheinlich 150, 175 Basispunkte niedriger liegen", sagte US-Finanzminister Scott Bessent.
Seit dem April-Tief, als Trump seine Zollpläne vorstellte, stieg der S&P 500 fast 30 Prozent, seit Trumps Wahlsieg um elf Prozent. Der Nebenwerte-Index Russell 2000 verzeichnet den vierten Monatsanstieg in Folge.
Volatilität bricht ein – Risikoappetit steigt
Der Vix liegt auf dem niedrigsten Stand seit Dezember, der Move-Index für Anleihen auf dem tiefsten Wert seit 2022. Auch der Devisenmarkt zeigt minimale erwartete Schwankungen. Anleger greifen vermehrt zu risikoreichen AT1-Anleihen europäischer Banken.
"Ich glaube nicht, dass der Markt im Moment irrational ist. Wir könnten noch viel weiter gehen, bevor er irrational wird. Es ist derzeit sehr teuer, pessimistisch zu sein", so Bernard Ahkong, CIO bei UBS O'Connor Global Multi-Strategy Alpha.
KI-Hype befeuert Tech-Riesen
Ein neuer KI-Boom treibt Mega Caps an. Laut Deutscher Bank waren diese im zweiten Quartal für 90 Prozent des gesamten Gewinnwachstums im S&P 500 verantwortlich. "Es wäre töricht, sich dieser Rally entgegenzustellen, auch wenn das Fundament extrem brüchig wirkt", warnt "Bloomberg"-Stratege Mark Cudmore. "Irgendwann wird der Anstieg der langfristigen Renditen in den USA den Aktien schaden, wenn sie nicht vorher selbst straucheln oder Trump uns erneut mit einer Überraschung konfrontiert. Aber es gibt keinen Grund, vorzeitig auf dieses Narrativ zu setzen."
Uneinigkeit unter Strategen
Einige Strategen wie Michael Wilson von Morgan Stanley und der frühere Wells-Fargo-Stratege Chris Harvey behielten im April-Tief die Nerven und lagen richtig. Andere korrigierten ihre Prognosen mehrfach. Citigroup-Stratege Scott Chronert erhöhte jüngst sein Jahresendziel erneut, da er glaubt, Steuersenkungen könnten die Zollfolgen abfedern. (mb/Bloomberg)















