Ein Déjà-vu an den Märkten erkennt Shaan Raithatha, Volkswirt bei Vanguard Europe: Ähnlich wie 2024 seien die Märkte auch in diesem Juli wieder von den schwachen US-Arbeitsmarktzahlen auf dem falschen Fuß erwischt worden. Beide Male wurde die Zahl der neuen Stellen vom Vormonat nach unten korrigiert. Die am Freitag (5.9.) veröffentlichten August-Zahlen bekräftigten den Juli-Trend nochmals: Die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft stieg nur um 22.000 – ein deutlicher Rückgang gegenüber den 79.000 im Juli. 

Zwei Zinssenkungen noch in diesem Jahr
Raithatha sieht jedoch deutliche Unterschiede zwischen jetzt und 2024: "Damals galt die wirtschaftliche Lage als ausreichend stabil und das schwache Beschäftigungswachstum galt als Kratzer an einem ansonsten robusten Arbeitsmarkt", so der Ökonom. Die Federal Reserve (Fed) habe die Zinsen im September 2024 auch deshalb um 50 Basispunkte senken können, weil das Inflationsrisiko sank.

Aktuell taxieren die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September – der ersten in diesem Jahr – auf etwa 90 Prozent. Vor dem enttäuschenden Juli-Arbeitsmarktbericht habe die Wahrscheinlichkeit lediglich bei 40 Prozent gelegen, so Raithatha. Diesmal könnten die Zölle aber einen schnellen Rückgang der Inflation verhindern und so die Preisstabilität gefährden. Er sagt: "Die Aufgabe der Fed wird immer komplexer, gleichzeitig steigen die Erwartungen an einen geldpolitischen Kurswechsel."

Rezession trotz Herausforderungen unwahrscheinlich
Die jüngsten Entwicklungen in der Zollpolitik hätten die Unsicherheit für die US-Wirtschaft zwar etwas verringert, allerdings bleibe abzuwarten, wie sich etwa ausländische Investitionsabkommen und die Weitergabe höherer Zollkosten an Verbraucher auf die Wirtschaft auswirken würden. Der Vanguard-Ökonom sagt: "Derzeit entspricht die Konjunktur unseren Erwartungen. Der Arbeitsmarkt kühlt ab, das Wachstum liegt bei rund 1,5 Prozent, und die Kerninflation dürfte sich bis Jahresende der Drei-Prozent-Marke nähern." Vor diesem Hintergrund hält er bis Ende des Jahres zwei Zinssenkungen für wahrscheinlich.

Für die Märkte seien letztendlich aber die Unternehmensgewinne entscheidend, so Raithatha. Im vergangenen Jahr habe die Gewinnsaison im dritten Quartal beruhigend auf die Märkte gewirkt. Das dürfte auch 2025 so bleiben – das Déjà-vu wäre damit komplett. (jh)