Die Nachricht kam am Sonntag (19.3.) wie ein Paukenschlag: Die in Schieflage geratene zweitgrößte Schweizer Bank Credit Suisse wird für drei Milliarden Franken von der größten Bank des Landes, der UBS, übernommen. Der Staat haftet für Verlustrisiken in Höhe von neun Milliarden Franken in der Bilanz der Credit Suisse. Die Schweizerische Nationalbank gewährt Liquiditätshilfen von 200 Milliarden Franken.

Die Ereignisse vom Wochenende wecken ungute Erinnerungen an den Herbst 2008. Das gilt umso mehr, als in den Tagen zuvor in den USA die Silicon Valley Bank (SVB), die Signature Bank und Silvergate Capital kollabiert waren. FONDS professionell ONLINE hat Portfoliomanager nach ihrer Einschätzung der aktuellen Situation und möglichen Auswirkungen gefragt. Uwe Rathausky, Mitgründer und Vorstand der Fondsboutique Gané, sieht keinen Grund für zu viel Pessimismus.


Herr Rathausky, die jüngsten Ereignisse in der Schweiz und in den USA lassen unweigerlich an die Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 denken. Haben wir nun wieder eine globale Bankenkrise? Oder handelt es sich noch um Einzelfälle, ausgelöst durch die Zinswende bei den US-Banken und durch Missmanagement bei der Credit Suisse?

Uwe Rathausky: Der Übergang in solchen Fällen ist fließend. Wichtig ist, dass die Notenbanken und Aufsichtsbehörden schnell und umfassend reagieren, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Nicht in das einzelne Institut, aber in das Bankensystem als solches.

Wie bewerten Sie das bisherige Krisenmanagement der Notenbanken, der Aufseher und der Politik?

Rathausky: Das Risikomanagement in den vergangenen Jahren war nicht gut, aber das jetzige Krisenmanagement ist es auf jeden Fall. Politik, Notenbanken und Regulierer reagieren sehr schnell und konzertiert. Die Einlagen werden geschützt, die Aktionäre und Eigenkapitalinvestoren bluten. Die schwachen Spieler verschwinden vom Markt und die Starken werden stärker.

Reicht das Eingreifen Ihrer Meinung nach, um auf Sicht der kommenden Wochen eine generelle Vertrauenskrise der Finanzbranche zu verhindern?

Rathausky: Ich denke schon. Joe Biden hat ein "whatever it takes" ausgesprochen. Er sagte, die Kundeneinlagen in den USA seien sicher und das Bankensystem stabil. Egal, was nach der Schließung der Silicon Valley Bank noch komme, "we’ll do whatever is needed on top of all this". Wenn so die internationale Marschroute aussieht, dann sollten wir nicht schwarzmalen. Und so scheint sie ja auszusehen, wenn man sich den schnellen Notverkauf der Credit Suisse am Sonntag an die UBS vergegenwärtigt, flankiert von insgesamt 200 Milliarden Schweizer Franken an Liquiditätslinien und einer erheblichen Übernahme von Risiken durch die Schweizer Notenbank.

Was sind die wichtigsten Gemeinsamkeiten, was die Unterschiede zur globalen Finanzkrise 2008?

Rathausky: Im Jahr 2008 herrschte große Ratlosigkeit, heute sind die Banken besser kapitalisiert und das System weiß, was zu tun ist, um mit der Krise umzugehen. Die Krise 2008 hatte ihren Ursprung in hochkomplexen Finanzprodukten und faulen Krediten aus dem Immobilienbereich, die zigfach verbrieft und so häufig im Bankensystem hin- und herverkauft wurden, dass Banken, Regulierer und Politik die Zusammenhänge nicht mehr durchschauen konnten. Heute geht es vor allem um Marktpreisverluste von weniger ausfallgefährdeten Anlagen, die aufgrund des Zinsanstiegs an Wert verloren haben, Staats- und Unternehmensanleihen zum Beispiel. Das führte bei der Silicon Valley Bank zu Marktpreisverlusten auf der Aktivseite. Wenn dann die Anleger zur Bank rennen und ihr Geld abheben, also die Passivseite verloren geht, dann ist eine Bank nicht mehr zu retten. Ähnlich traf es die Credit Suisse. Auch sie konnte den Verlust von Einlagen nicht aufhalten.

Was bedeuten die Ereignisse für Ihren Marktausblick? Wo passen Sie Ihr Portfolio an, um neue Risiken zu vermeiden, wo ergeben sich eventuell Chancen?

Rathausky: Wir haben keine Aktien oder eigenkapitalnahen Anleihen von Investment- oder Retailbanken im Portfolio. Diesbezüglich gibt es für uns kein unmittelbares Risiko. Weil die Börse in solchen Marktphasen undifferenziert vieles abstraft, ergeben sich aber neue Chancen.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)