Die Trump-Administration wähnt sich in den Zollkonflikten auf Siegeskurs und die Börsen feiern mit. Nach den angekündigten Handels-Deals mit Großbritannien und China hat der US-Aktienmarkt wieder das Niveau vor dem "Liberation Day" erreicht. Doch Experten warnen vor übertriebenem Optimismus.

Bremsspuren in der Realwirtschaft
Jean-Louis Nakamura, Head of Conviction Equities bei Vontobel, glaubt zwar, dass die Abkühlungsphase bei den Zollstreitigkeiten dazu beitragen wird, die derzeitige Aktienmarkterholung zu verlängern. "Diese wird hauptsächlich von dem Gefühl getragen, dass der Höhepunkt der Handelsunsicherheiten hinter uns liegt", so Nakamura. Dabei seien aber die eingeführten Zölle immer noch deutlich höher als zuvor, und das Ausmaß des schon angerichteten Schadens sei noch nicht abschätzbar.

Die Folge: "In den nächsten zwei Monaten wird eine Menge harter Daten zeigen, ob der Einbruch in einigen Komponenten der jüngsten Umfragen übertrieben war", so Nakamura. Es könnte ein Tauziehen geben zwischen den Vorankündigungen von nachhaltigeren und umfassenderen Handelsvereinbarungen einerseits und harten Daten zur Konjunktur andererseits. Das Risiko: "Wenn Letztere zuerst veröffentlicht werden, sollten die Märkte eine weitere Runde mit großer Volatilität erleben."

Ungewissheit bleibt bestehen
Felix Herrmann, Chefvolkswirt bei Aramea Asset Management, betont hinsichtlich des Abkommens mit China zwei Aspekte. "Erstens: Die Zölle auf Einfuhren in die USA dürften im Vergleich zum Zeitpunkt des Amtsantritts Trumps deutlich steigen." Die US-Zölle gegenüber China würden selbst nach dem Deal bei etwa 40 Prozent liegen, die chinesischen Zölle gegenüber den USA bei rund 25 Prozent. Und zweitens: "Wir wissen nicht, was nach Ablauf der 90 Tage mit den Zöllen auf chinesische Importe passiert. Von Verschnaufpause bis nachhaltige Entspannung ist alles möglich."

US-Aktien überteuert
Skeptisch ist auch Klaus Niedermeier, Leiter Investment-Strategie bei der Apobank: Er sieht das Absenken der Zölle speziell im Handel mit China zwar als Zeichen, dass beide Seiten wieder mehr Realismus walten lassen. Dabei warnt er aber: "Negative Spuren in den wirtschaftlichen Beziehungen werden aber auch jetzt noch sichtbar werden." Wie beim Deal zwischen den USA und Großbritannien wurde auch mit China ein nur sehr grobes Zielbild verkündet. "Die Details müssen in den kommenden 90 Tagen präzisiert werden. Diese 90-Tage-Frist halten wir für sehr ambitioniert. Sie birgt das Risiko schlechter Nachrichten", sagt Niedermeier.

Als Profiteur sieht Niedermeier vor allem die US-Notenbank: "Die Fed kann nun weiter auf Zeit spielen und Leitzinssenkungen – zum Ärger von Donald Trump – bis in den September verschieben." Insgesamt bleibt Niedermeier dennoch vorsichtig: "Die Märkte reagieren auf die Ankündigung, die gegenseitigen Strafzölle zu senken, zu euphorisch", so der Anlagechef. Er warnt: "US-Aktien sind weiter viel zu teuer." (jh)