Nach einem außergewöhnlich starken Interesse an physischem Gold in Fernost könnte nun die Nachfrage der globalen Anleger dem Preis des Edelmetalls weiteren Rückenwind verleihen. "Die Entwicklung am Goldmarkt wird zunehmend von den Finanzinvestoren bestimmt", erklärt Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg, in einem aktuellen Marktkommentar. "Die Zeit, in der die Zentralbanken den Markt dominierten, scheint sich dem Ende zuzuneigen", befindet er. 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sei die Entwicklung des Goldpreises vor allem von den Kapitalflüssen globaler Investoren bestimmt worden. "Die Nachfrage der Zentralbanken und der Schmuckindustrie blieb hingegen weitgehend stabil", so Urbahn. Eine entscheidende Rolle für Goldinvestoren spielten dabei die Realzinsen langlaufender US-Staatsanleihen. "Gold als Sachwert bietet Schutz vor Inflation, wirft aber keine laufenden Erträge ab. Steigende Realzinsen erhöhen die Opportunitätskosten, Gold zu halten", erläutert Urbahn. 

Grundlegende Veränderung
Mit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges im Jahr 2022 habe sich die bisherige Korrelation zwischen Goldpreis und Realzinsen jedoch grundlegend verändert. "Die starken Anstiege der Realzinsen führten nicht zu einem Einbruch des Goldpreises. Im Gegenteil: Zwar zogen sich die Anleger aus Gold-ETFs zurück, aber die Zentralbanken, vor allem in Asien, sprangen ein", erklärt Urbahn. Die globalen Bestände von Gold-ETFs sanken zwischen Mai 2022 und Mai 2024 um 25 Prozent, dennoch stieg der Goldpreis im gleichen Zeitraum um fast 30 Prozent. "Die rekordverdächtigen Goldkäufe der Zentralbanken in den Jahren 2022 und 2023, vor allem der chinesischen People’s Bank of China, gaben dem Markt Auftrieb", ergänzt er. 

Entscheidend für die weitere Entwicklung des Goldpreises werden die Finanzinvestoren sein, glaubt der Experte. "Die Zinswende der US-Notenbank spielt eine zentrale Rolle. Bei sinkenden Realzinsen hat Gold historisch fast immer eine positive Performance gezeigt", erläutert Urbahn.

Weiterhin ein aussichtsreiches Investment
Obwohl der Goldpreis neue Höchststände erreicht hat, gebe es aber auch Anzeichen der Vorsicht. "Die hohe Positionierung bei Gold-Futures, getrieben von Momentum-Strategien, birgt das Risiko eines temporären Rücksetzers", warnt Urbahn. Doch im aktuellen Umfeld aus sinkenden Zinsen, steigenden Staatsschulden, Unsicherheiten vor den US-Wahlen und geopolitischen Spannungen im Nahen Osten bleibe Gold ein aussichtsreiches Investment. "Trotz der hohen Preise sehen wir Potenzial für eine Fortsetzung der Rally. Die Treiber haben sich verändert, aber die positiven Rahmenbedingungen sprechen weiterhin für Gold", schreibt Urbahn. (am)