Trotz Nullzins: Für die Wall Street bleibt der Franken sicherer Hafen
Ungeachtet möglicher Zinssenkungen bleibt der Schweizer Franken gefragt. Analysten von JP Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley sehen ihn dank geopolitischer Spannungen und schwachem Dollar weiter im Aufwind – auch Hedgefonds setzen auf weitere Kursgewinne bis Jahresende.
Die größten Banken der Wall Street bleiben überzeugt: Selbst wenn die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinsen erneut senkt, dürfte der Schweizer Franken seine Rolle als sicherer Hafen behaupten. Analysten von JP Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley rechnen damit, dass der Franken seine Stärke gegenüber dem Euro bewahren und seine beeindruckende Rally gegenüber dem Dollar bis zum Jahresende fortsetzen wird.
Geopolitik wichtiger als Zinspolitik
Trotz der erwarteten Zinssenkung auf null Prozent am Donnerstag (19.6.) – einige Händler rechnen im Jahresverlauf mit weiteren Schritten – bleibt der Franken gefragt. Normalerweise führen geldpolitische Lockerungen zu Währungsverlusten. Doch die geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten lassen Anleger in bewährte Wertspeicher flüchten. Der Franken zeigt sich so stark wie seit fast einem Jahrzehnt nicht.
"Wir gehen davon aus, dass diese globalen Faktoren für die Entwicklung des Franken in naher Zukunft wichtiger sein werden als die Geldpolitik daheim, und glauben, dass der Franken auch vor dem Hintergrund negativer Zinsen weiterhin gestützt werden dürfte", sagten Goldman-Strategen um Kamakshya Trivedi. Sie bezeichneten den Franken als den "sichersten Hafen".
JP Morgan sieht Aufwertungspotenzial
JP Morgan ist am optimistischsten: Eine Senkung um 25 Basispunkte auf null könnte sogar eine kurzfristige Aufwärtsbewegung auslösen, da die Märkte bereits mit einer aggressiveren Lockerung rechnen. Meera Chandan von JP Morgan prognostiziert einen Franken-Kurs von 0,91 pro Euro bis Jahresende – eines der optimistischsten Szenarien laut "Bloomberg"-Daten.
Goldman Sachs sieht beim USD/CHF-Paar weiteres Potenzial: Die Analysten erwarten eine Fortsetzung der Rally um zehn Prozent auf 0,76 Franken pro Dollar. Morgan Stanley schließt sich dieser Einschätzung an.
Hedgefonds setzen auf Franken-Stärke
Auch im Hedgefonds-Segment steigt das Vertrauen: Laut aktuellen Daten der Depository Trust & Clearing Corporation haben spekulative Akteure ihre Long-Positionen auf den Franken auf den höchsten Stand seit fast vier Jahren ausgeweitet – eine Reaktion auf Zollkonflikte und die Eskalation im Nahen Osten. Für Goldman ähnelt der Franken in Krisenzeiten zunehmend der Performance von Gold.
SNB zwischen Kursdruck und US-Sanktionen
Die Stärke des Franken ist für die SNB ein zweischneidiges Schwert: Sie verschärft den Desinflationsdruck durch billigere Importe. Marktbeobachter spekulieren, dass die Notenbank zur Kursdämpfung am Devisenmarkt intervenieren könnte – ein Schritt, der allerdings politische Folgen haben könnte. Die USA haben die Schweiz bereits auf eine Beobachtungsliste wegen möglicher Währungsmanipulation gesetzt.
"In dieser Phase ist es besser, solche Risiken nicht einzugehen", sagt Sascha Kever, CIO der PKB Private Bank in Lugano. "Die erste Maßnahme werden Zinssenkungen sein, auch wenn das negative Zinsen bedeutet." Kurzfristig könne dies zu leichter Schwäche führen – strukturell bleibe der Franken aber stark.
Langfristig stützt die Fundamentallage
Ein Blick auf die Optionenmärkte zeigt: Die Risikoabsicherungskosten für das Euro/Franken-Paar sind so niedrig wie seit zwei Monaten nicht mehr – ein Zeichen für stabilisierte Erwartungen.
"Das bedeutet ganz einfach, dass der Schweizer Franken langfristig weiter aufwerten wird", sagt Gregor Hirt, CIO für Multi-Asset-Strategien bei Allianz Global Investors. Er verweist auf die niedrigere Inflation und höhere Produktivität der Schweiz im Vergleich zur Eurozone – ein struktureller Vorteil, der dem Franken langfristig Auftrieb geben dürfte. (mb/Bloomberg)