Streit um die Schuldenobergrenze in den USA: Was am Tag "X" droht
Die Uhr tickt: Können sich Demokraten und Republikaner nicht einigen, rutschen die Vereinigten Staaten in die Zahlungsunfähigkeit. George Brown, Ökonom bei Schroders, rät Anlegern: "Auf den Erfolg hoffen, aber auf den Ausfall vorbereitet sein!"
Den USA droht in wenigen Wochen die Zahlungsunfähigkeit, wenn der Kongress keine Einigung über die Anhebung der Schuldenobergrenze erzielt. Momentan laufen die Verhandlungen, um den "Tag X" doch noch zu vermeiden. Sollte aber keine Einigung erzielt werden, werden Kuponzahlungen und Tilgungen von US-Staatsanleihen (Treasuries) eingestellt – ein noch nie dagewesenes Ereignis mit weitreichenden Folgen für Anleger, so George Brown. Der Schroders-Ökonom erläutert in einem Marktkommentar die Hintergründe sowie mögliche Implikationen für die Portfolioallokation.
"Der Tag X würde den Zeitpunkt markieren, an dem das Finanzministerium keine Mittel mehr hat. Nach den enttäuschenden Steuereinnahmen für 2022 hängt nun viel davon ab, wie sich die Einnahmen bis einschließlich Mai entwickeln", so Brown. Sollte die Regierung bis Mitte Juni, wenn die vierteljährlichen Steuerzahlungen fällig sind, genug Einnahmen generieren können, werde das Finanzministerium wahrscheinlich in der Lage sein, einen Großteil des Julis und vielleicht sogar den August zu überstehen. Früher oder später muss die Schuldenobergrenze der USA jedoch angehoben werden.
Großes Risiko: Ultrakonservative Republikaner
Darüber streiten sich die beiden großen Parteien. "Nach einem langen internen Gerangel haben sich die Republikaner auf eine Position geeinigt und Verhandlungen mit dem Weißen Haus aufgenommen. Selbst wenn die beiden Seiten, wie wir erwarten, schließlich eine Einigung erzielen, müsste diese noch den Kongress passieren", führt Brown aus. Abgesehen vom begrenzten Zeitrahmen für die Gesetzgebung stellen aus seiner Sicht die ultrakonservativen Republikaner das Haupthindernis für eine Einigung dar, da sie den Sprecher absetzen könnten, um zu verhindern, dass die Gesetzesentwürfe eingebracht werden.
Brown zufolge wird jedoch berichtet, dass einige zentristische Demokraten dem Sprecher privat zugesichert haben, dass sie ihm unter solchen Umständen zu Hilfe kommen würden. Ferner habe US-Präsident Biden auch offen die Anwendung von Abschnitt vier des 14. Zusatzartikels der Verfassung in Erwägung gezogen. Dieser besagt, dass die Gültigkeit der US-Staatsschulden "nicht in Frage gestellt werden darf". Diese beispiellose einseitige Maßnahme könnte jedoch vom Supreme Court gekippt werden.
Bereiten Sie sich auf einen Zahlungsausfall der USA vor!
Der Schroders-Ökonom rechnet zwar damit, dass der Zahlungsausfall abgewendet wird. Er sollte aber nicht ausgeschlossen werden. "Unsere Botschaft an die Investoren lautet daher nach wie vor: Auf den Erfolg hoffen, aber auf den Ausfall vorbereitet sein. Wenn möglich, sollten die Portfolios liquide und diversifiziert sein, um sicherzustellen, dass das Kapital angesichts der Volatilität, die während früherer Episoden der Schuldenobergrenze auftrat, schnell umgeschichtet werden kann." Es wäre jedoch ein Fehler, davon auszugehen, dass sich die Vermögenswerte wie zuvor entwickeln werden. So fiel beispielsweise die Rally der Staatsanleihen während des Schuldenstreits im Jahr 2011 mit der Sorge um die Schuldenkrise in der Eurozone zusammen.
Daher rät der Experte trotz einer Rally der Treasuries zur Übergewichtung in Gold sowie in Staatsanleihen mit "AAA"-Rating wie Bundesanleihen. Bei Aktien sollten Anleger Papiere meiden, die in hohem Maße von den Ausgaben oder Subventionen der US-Regierung abhängig sind. Value-Aktien könnten sich dagegen besser halten, ebenso wie defensive und nicht-zyklische Sektoren wie die Pharmaindustrie. (jb)