Stillhaltetaktik der EZB stößt auf herbe Kritik
Die Europäische Zentralbank denkt vielleicht etwas intensiver als bisher über ein Ende der Negativzinsen nach – wirklich an der Zinsschraube drehen möchte sie aber noch nicht. Erste Reaktionen auf die jüngste Ratssitzung der Notenbanker.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Einlagenzins trotz der hohen Inflation auf einem Niveau von minus 0,5 Prozent belassen. Ihre Anleihekäufe möchte sie auslaufen lassen – womöglich etwas schneller als bislang angekündigt.
In der Finanzbranche stößt die nach wie vor laxe Haltung der EZB auf Kritik – zumindest die ersten Stellungnahmen hatten einen negativen Tenor. "In Anbetracht der sehr hohen Inflation wäre es spätestens jetzt allerhöchste Zeit gewesen, die Ankaufprogramme sofort einzustellen und unverzüglich entschlossene Zinserhöhungen einzuleiten", meint etwa Bernhard Matthes, Bereichsleiter Asset Management der Bank für Kirche und Caritas (BKC) aus Paderborn. Die Inflation sei mit 7,3 Prozent in Deutschland und 7,5 Prozent in der Eurozone so hoch wie zuletzt 1981. "Damals lag der Leitzins der Bundesbank allerdings bei 7,5 Prozent – nicht bei minus 0,5 Prozent", echauffiert sich Matthes.
Schnelles Ende der Negativzinsen gefordert
"So entschieden die Notenbanker in den vergangenen Jahren eine drohende Deflation abgewehrt haben, so klar und entschlossen müssen sie nun mit einer restriktiveren Geldpolitik auftreten gegen die Inflation im Euroraum", fordert Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). "Die aktuellen, hohen Inflationsraten dürfen sich nicht dauerhaft verfestigen." Je länger die EZB die notwendige Zinswende aufschiebe, desto größer werde die Gefahr einer Kettenreaktion aus steigenden Preisen und höheren Lohnforderungen, warnt der oberste Sparkassenvertreter.
Christian Ossig, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, hält es indes für "richtig und konsequent", die Anleihekäufe zu beenden. "Das reicht allerdings noch nicht", betont er. "Das Ende der Negativzinsen muss dieses Jahr kommen."
"Selbstverteidigungsinstrumente gegen die Notenbankpolitik"
BKC-Asset-Management-Chef Matthes geht in seiner Markteinschätzung auch auf die Folgen der laxen Geldpolitik für die Geldanlage ein. "Selbst wenn die EZB schlussendlich erste Zinsschritte einleitet, wird der reale Leitzins noch lange stark negativ bleiben", betont er. "Die finanzielle Repression wirkt so unvermindert schmerzhaft auf ein Investmentportfolio."
Anleger seien daher gut beraten, weiterhin auf "wirksame Selbstverteidigungsinstrumente gegen die Notenbankpolitik" zu setzen. Dazu zählt er Gold, inflationsgeschützte Anleihen und Aktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht. (bm)