S&P-Chef im Interview: "Deutsche Autobauer haben enorme Finanzkraft"
Der Deutschlandchef der Ratingagentur S&P Global Ratings, Tobias Mock, spricht im Interview mit FONDS professionell über die weltweit steigende Staatsverschuldung, die Finanzkraft der deutschen Autoindustrie und darüber, welche Risiken sich nicht in Zahlen fassen lassen.
Kaum stand Donald Trump als Sieger der US-Wahl fest, da machten die Renditen von langlaufenden US-Staatsanleihen auch schon einen Satz nach oben. Dahinter steckt die Erwartung von mehr Wachstum, mehr Inflation – und wohl auch mehr Staatsverschuldung. Bereits seit Jahren erreicht das US-Haushaltsdefizit mit mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Werte, die aus Sicht der deutschen Schuldenbremse mit der angestrebten schwarzen Null astronomisch sind. Doch der Trend zur Verschuldung ist global: Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass die weltweite Staatsverschuldung dieses Jahr erstmals die Marke von 100 Billionen US-Dollar durchbricht.
Mit den Auswirkungen solch enormer Schuldenberge auf die Kreditwürdigkeit von Staaten wie Unternehmen beschäftigt sich Tobias Mock, Deutschlandchef der Ratingagentur S&P Global Ratings. Im Interview mit FONDS professionell sprach er über die Folgen der weltweit steigenden Verschuldung, Zahlungsausfälle bei Unternehmensanleihen und darüber, welche Risiken sich nicht in Zahlen fassen lassen.
Schuldenhöhe ist nicht alles
Bei Staaten wie bei Unternehmen kommt es ihm dabei nicht nur auf die Höhe der Verschuldung an, sondern auch auf das langfristige "Geschäftsmodell" und die Finanzkraft. Zur deutschen Debatte über die Einhaltung der Schuldenbremse sagt Mock: "Die Schuldbremse per se kann kurzfristig positiv auf die Verschuldungsquote wirken, aber sie garantiert kein bestimmtes Rating." Langfristig sei auch entscheidend, welche Weichen ein Land für die Zukunft stellt.
Verschiedene Politiker und Ökonomen hatten unter anderem eine "goldene Regel" gefordert, bei der etwa Investitionen aus der Schuldenbremse ausgeklammert werden. Angesichts der enormen Finanzierungsengpässe wird dies eine der drängendsten Entscheidungen sein, denen sich eine neue Bundesregierung stellen muss.
Konsolidierungs-Fortschritte bei Euro-Peripheriestaaten
Mehr als zehn Jahre nach der Euro-Schuldenkrise konstatiert der Ratingexperte den meisten der damaligen Krisenländern deutliche Fortschritte bei der Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen. "Gerade in den sogenannten Peripheriestaaten haben wir viele Ratingverbesserungen gesehen", so Mock. Dagegen stufte S&P zuletzt Frankreichs Bonität um eine Stufe zurück: "Im aktuellen Umfeld mit geringerem Wachstum und hohem Ausgabenbedarf können viele Euro-Länder ihre Verschuldungsquoten nicht so einfach konsolidieren", sagt Mock. Allerdings verfügen die Euro-Länder seiner Einschätzung nach trotz dieser Schwierigkeiten über finanzielle Widerstandsfähigkeit und Stärke.
Die akute Nachfrageschwäche in der Autoindustrie stellt die großen deutschen Autobauer derzeit vor massive Herausforderungen. Dazu sagt Mock: "Alle deutschen Hersteller sind widerstandsfähig gegenüber konjunkturellen Schwankungen und haben eine enorme Finanzkraft." Erst wenn die aktuelle Flaute über mehrere Jahre andauere, könne sich das unter Umständen auch auf die Finanzkraft auswirken.
Insgesamt sieht Mock im Euro-Raum ein durchaus günstiges Umfeld für Staats- und Unternehmensanleihen – und das trotz Wachstumsschwäche: Denn für Anleiheninvestoren sei wenig Wirtschaftswachstum oft besser als hohes Wachstumstempo, das meist mit mehr schuldenfinanzierten Investitionen einhergehe. Die wichtigsten Faktoren seien derzeit positiv für die Schuldner: "Die Zinsen sinken wieder, ebenso die Energie-, Rohstoff- und Verbraucherpreise, und die Wirtschaft sollte im nächsten Jahr auch wieder in Deutschland, wenn auch gering, wachsen." (jh)
Ausgewählte Aussagen aus dem Gespräch mit Tobias Mock finden Sie in der Bilderstrecke oben – einfach durchklicken! Das vollständige Interview lesen Sie in FONDS professionell 4/2024 ab Seite 88 oder nach Anmeldung hier im E-Magazin.