"Sehr ungewöhnlich": Deutschlands Wirtschaftsschwäche sorgt Experten
Europas größte Volkswirtschaft schrumpft: Nach einem Minus von 0,1 Prozent 2023 sank Deutschlands Wirtschaftsleistung 2024 um weitere 0,2 Prozent. Die Großkanzlei Weil malt ein düsteres Szenario.
Angesichts schwächelnder Auslandsnachfrage und anhaltenden Preisdrucks steht die exportorientierte deutsche Wirtschaft unter Druck. Die Kanzlei Weil, Gotshal & Manges stuft die größte Volkswirtschaft des Kontinents das zweite Jahr in Folge als den am stärksten angeschlagenen Markt ein. Sie beruft sich dabei auf hauseigene Analysen, die auf Daten von über 3.750 börsennotierten europäischen Unternehmen basieren.
Im pessimistischen Szenario der Experten – das weitere Unterbrechungen der Lieferketten und eine protektionistische Handelspolitik einschließt – könnte das Ausmaß der Notlage in Deutschland noch die während der Pandemie übersteigen. "Vor einem Jahr war es noch nicht offensichtlich, dass Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern so stark hervorsticht", sagte Andrew Wilkinson, Partner bei Weil und Co-Chef der Restrukturierungsabteilung der Kanzlei. "Ich denke, es ist jetzt klar, dass dies der Fall ist. Für Europa ist dies sehr ungewöhnlich."
Insbesondere die Industrie leidet
Deutschlands Immobilienmarkt kämpft noch immer mit den Folgen des rasanten Zinsanstiegs aus der Inflationseindämmung. Große Industrieunternehmen wie Volkswagen und der Chemieriese BASF ergreifen umfassende Kostensenkungsmaßnahmen, was die Wirtschaft belastet.
Der am stärksten angeschlagene Wirtschaftsbereich war in Europa im letzten Quartal die Industrie. Laut den Weil-Daten ist der Druck auf gleitender Dreimonatsbasis so hoch wie seit September 2020 nicht. Da Unternehmen aufgrund höherer Kapitalkosten und unsicherer Nachfrage Großprojekte verschieben, sei der Sektor "anfällig für eine Stagnation".
"Die Zulieferer werden unter Druck geraten"
"Ich erwarte nicht, dass große Automobil- und Fertigungsunternehmen in Deutschland pleitegehen werden – das haben wir auch während der globalen Finanzkrise 2008 nicht erlebt", sagte Wilkinson. "Die Zulieferer hingegen werden unter Druck geraten, und zwar ziemlich hart." Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle verzeichnete Deutschland im vierten Quartal 2024 insgesamt die höchste Zahl an Unternehmensinsolvenzen seit der Finanzkrise. (Bloomberg/fp)