Schwellenländeranleihen: "Kaufen, bevor jeder dabei sein will"
Schwellenländeranleihen werden 2023 nach dem schwierigen vergangenen Jahr ihre Verluste wieder aufholen, zeigt sich Adrian Hilton, Chef der Sparte bei Columbia Threadneedle, überzeugt. Er erwartet ein Performanceplus von zehn bis 15 Prozent, so Hilton auf einer Veranstaltung in Wien.
Im schwierigen Vorjahr konnte sich so gut wie keine Assetklasse dem Verlust-Sog entziehen. Besonders schwer hatten es aber Anleger in Schwellenländeranleihen (Emerging Markets Debt), wie ein Blick auf den Emerging Market Bond Index (EMBI) zeigt. Dieses Marktbarometer verzeichnete größere Verluste als alle anderen wichtigen Fixed-Income-Bereiche.
Die Gründe liegen auf der Hand: Schwellenländer waren überdurchschnittlich hart von den globalen wirtschaftlichen Erschütterungen betroffen; Lieferengpässe bei Nahrungsmitteln oder die hohen Treibstoffpreise ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereiteten den auf Importe angewiesenen Schwellenländern Probleme. Zudem sorgten die Zinserhöhungen in den Industrieländern für einen Wettbewerb um Investorengeld und erschwerten noch dazu den in ausländischer Währung verschuldeten Märkten die Refinanzierung.
Performanceplus von zehn bis 15 Prozent
Das laufende Jahr soll besser werden, erklärte Adrian Hilton, Head of Global Emerging Market Debt bei Columbia Threadneedle, auf einer Veranstaltung in Wien. Für das Jahr 2023 erwartet Hilton eine Performance der wichtigen Sektorindizes in einer Bandbreite von zehn bis 15 Prozent. Erleichternd für die Schwellenmärkte würden sich unter anderem das erwartete Abflachen der Zinssteigerungen bei den westlichen Notenbanken auswirken. Auch der bereits zu beobachtende Rückgang der US-Dollar-Stärke wirke stabilisierend. Damit werden in Dollar gehandelte Importe günstiger und es erleichtert den Schuldendienst von Ländern, die sich in der US-Währung verschuldet haben.
Zudem habe man in den Emerging Markets in den vergangenen Jahren eine deutliche Verbesserung von Institutionen wie Behörden, Aufsichten oder Kapitalmarktakteuren gesehen. Als Beispiel nennt er China, wo sich im Vorjahr die zentralen Finanzbehörden zu neuen Regularien für den ins Wanken geratenen Immobiliensektor durchgerungen haben. "Natürlich erleben wir in den Ermerging Markets immer wieder Erschütterungen, aber wir sehen, dass die Märkte in den vergangenen Jahren sehr dazugelernt haben. Wir bewegen wir uns in die richtige Richtung", so Hilton.
Renditepolster immer noch attraktiv
Positiv gestimmt habe ihn auch, dass die Notenbanken in Schwellenländern aktiv auf die Zinssteigerungen in den USA und Europa reagiert hätten. Damit habe man im Wettbewerb um Investorenkapital den realen Zinspuffer weiter attraktiv gehalten.
Emerging Markets waren in den vergangenen Jahren "ein wichtiger Anker, als die Yields aus den Märkten verschwanden", so Hilton. Dass ausgerechnet diese Sparte nun so stark verloren hat, sei natürlich bitter. "Langfristig bleiben die Aussichten aber gut", so Hilton. Schließlich würden die unterstützenden Faktoren trotz aller Schwierigkeiten nicht einfach verschwinden, etwa die Aufholpotenziale der aufstrebenden Volkswirtschaften, das Bevölkerungswachstum, der Aufstieg der Mittelschicht oder die Tatsache, dass 60 Prozent der natürlichen Rohstoffe in Schwellenländern liegen.
Auch sei der Renditevorteil zwischen in Hartwährung ausgegebenen Emerging-Markets-Anleihen und dem globalen Aggregat mit rund 450 Basispunkten immer noch attraktiv, so Hilton. Verglichen wurde hier der globale EMBI-Index und der Barclays Global Aggregate. Außerdem sei der zuweilen negative Ruf, den Schwellenländerbonds hinsichtlich ihrer höheren Volatilität haben, nicht unbedingt begründet: Vergleiche man die jeweiligen Kreditqualitätsklassen, gebe es nur eine geringfügige "Volatilitätsstrafe" in den Emerging Markets, so Hilton.
Rezessionsangst und Potenziale
Wenn die befürchtete globale Rezession eintritt, würde das auch die Schwellenmärkte hart treffen. Gleichzeitig sei jedoch im Jahr 2023 die Ausgangsposition in vielen Märkten deutlich besser als im schwierigen Vorjahr. Kolumbien, das in seiner Geschichte die erste Linksregierung hat, sei angesichts der Reformpläne trotz der Proteste überzeugend. Auch Südafrika sei aufgrund von Reformankündigungen interessant. Ebenso sei durch die Öffnung Chinas nach der Pandemie ein großer Schub für die Märkte der Region zu erwarten – Obwohl die Situation dort nach dem Fallen der Corona-Beschränkungen und der dadurch ausgelösten Krankheitswelle momentan noch schwierig ist. Casino-Betreiber in der Sonderverwaltungszone Macau würden genau so stark von der Rückkehr der chinesischen Touristen profitieren wie etwa der thailändische Fremdenverkehr.
Chinas reales Wirtschaftswachstum soll nach dem Bloomberg-Marktkonsensus 2023 bei 4,8 Prozent und 2024 bei fünf Prozent liegen. Ähnlich hoch dürfte das BIP-Plus in Indonesien ausfallen. Und für die ebenfalls große Volkswirtschaft der Philippinen geht der Markt von 5,5 beziehungsweise sechs Prozent Wachstum real aus. Hingegen liegt das erwartete BIP-Plus der entwickelten Volkswirtschaften in den Jahren 2023 und 2024 nur bei 0,4 und 1,4 Prozent. Das dürfte auch das Interesse der Investoren an den Schwellenmärkten hoch halten. "Man sollte hineingehen, bevor jeder dabei sein will", so Hilton.
Blockbildung keine Gefahr
Eine Schwierigkeit für Investoren könne längerfristig der sich verschärfende Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China werden, wie Hilton auf Nachfrage bestätigt. "Eine Aufspaltung der Welt in Blocks wäre eine Umkehrung des Trends der vergangenen Jahre. Das wäre inflationär und sehr herausfordernd für die Emerging Markets", so der Experte. Allerdings werde man sich damit arrangieren. Wenn Staaten ihre Produktion etwa in "befreundete" Märkte verlegen, sei das nicht unbedingt ein Problem. "Wir müssen nur rechtzeitig verstehen, wo die Verschiebungen stattfinden", so Hilton. (eml)