Herr Louvet, der Goldpreis ist seit dem vergangenen Jahr sehr rasch von einem Rekord zum nächsten gestiegen. Wann müssen sich Anleger über das Naturgesetz "What goes up, must come down" Gedanken machen?

Benjamin Louvet: Ich bin definitiv überzeugt, dass der Goldpreis irgendwann stark nach unten gehen wird. Aber nicht jetzt.

Wann wird das passieren, an welchen Zeithorizont denken Sie?

Louvet: Das kann man nicht in Zeiträumen angeben. Aber ich kann Ihnen den Auslöser sagen. Vertrauen und Staatsverschuldung sind der Haupttreiber für die Goldnachfrage. Global machen das Verhalten von US-Präsident Donald Trump und seine Zollpolitik den Menschen Sorgen um die Zukunft der Wirtschaft. Und noch wichtiger ist, dass zunehmend die Fähigkeit der Vereinigten Staaten hinterfragt wird, ihre Schulden zurückzuzahlen. Die US-Schuldenquote liegt bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung. Selbst geringe Zinssteigerungen würden also beim Zinsdienst sehr hohe Zusatzkosten verursachen. Das Vertrauen in die handelnden Personen sinkt. Anleger suchen einen sicheren Hafen.

Und Gold ist nach wie vor ein guter Hafen?

Louvet: In der Regel haben Sie zwei sichere Häfen. Gold und den Dollar. Aber der Status des Dollar ist verblasst. Am entscheidendsten war, dass Europa und andere westliche Staaten nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine 2022 russische Vermögenswerte in Dollar eingefroren haben. Das hat den Menschen in anderen Ländern verdeutlicht, dass der Dollar nicht sicher ist, und sie haben sich daraus zurückgezogen. Das hat wiederum das Interesse an Gold vergrößert.

Gold hat keine Zinsen. Das Investment rechnet sich nur bei Wertsteigerungen. Da stellt sich angesichts der hohen Kurse die Frage, wie es weiter geht.

Louvet: Historisch gibt es eine perfekte negative Korrelation zwischen den Realzinsen und dem Goldpreis. Warum? Für Gold erhalten Sie keine Zinsen. Wenn die Zinsen sinken, sinkt auch die Rendite anderer Vermögenswerte. Umso mehr glänzt Gold. Und umgekehrt. Nun gibt es eine ungewöhnliche Situation. In den westlichen Ländern sind zwar die Zinsen in den vergangenen Jahren gestiegen, aber in Asien kaufen die Leute wegen des Vertrauensverlustes in den Dollar immer noch Gold. Dass Zinsen und Gold gleichzeitig steigen, ist selten. Normalerweise passiert das nicht in guten Zeiten, sondern üblicherweise dann, wenn die Investoren wegen Unsicherheiten höhere Renditen auf Staatsanleihen verlangen.

 

"Es wird auf jeden Fall so lange nach oben gehen, bis es einen großen Neustart und eine Umschuldung gibt. Und das kann noch Jahre oder Jahrzehnte dauern."

 

Also solange die Staatsschulden steigen, ist Gold ein sicheres Investment?

Louvet: In den vergangenen Jahren sind die Schulden in vielen Ländern sehr stark gestiegen. Für mich bedeutet das: Der Goldpreis wird weiter steigen. Ich behaupte nicht, dass das linear sein wird. Es wird auf jeden Fall so lange nach oben gehen, bis es einen großen Neustart und eine Umschuldung gibt. Und das kann noch Jahre oder Jahrzehnte dauern. Historisch gesehen gibt es drei Auswege aus der Staatsverschuldung. Erstens Inflation. Sie ist risikoreich, weil schwer kontrollierbar. Zweitens Negativzinsen; man kann auch finanzielle Repression oder Diebstahl bei den Anlegern sagen, weil dadurch die Ersparnisse aufgezehrt werden. Das ist ebenfalls gefährlich: Geht man hier zu weit, kann das zu einem Banken-Run führen und in einer Katastrophe enden. Der dritte Weg ist die Umschuldung. Wahrscheinlich wird man je nach Land eine Mischung aus diesen drei Lösungen sehen.

Auf welche konkreten Signale müssen Goldinvestoren also achten, um die Wende zu erkennen?

Louvet: Eine Wende gibt es zu dem Zeitpunkt, wo wir uns entscheiden, das Schuldenproblem ernsthaft zu lösen. Und zwar durch eine Art Umschuldung. Wenn es dazu kommt, wird als erstes der Goldpreis in die Höhe schnellen. Und dann rate ich Ihnen eines: Gehen Sie raus und bleiben Sie 20 Jahre lang draußen. Denn ab diesem Zeitpunkt ist das Problem behoben. So geschah es in den 1970er Jahren. Bis in die 80er Jahre schoss der Goldpreis in die Höhe. Nach der Lösung mehrerer Krisen fiel er und blieb viele Jahre tief, bis wir mit der starken Schuldenaufnahme begonnen haben.

Aber im Moment würden Sie sagen, ist es nach wie vor ziemlich sicher, Gold zu kaufen?

Louvet: Ja, das ist wirklich ziemlich sicher. Abgesehen davon würde ich aber sagen, dass Gold kurzfristig konsolidieren wird.

Warum?

Louvet: Trump musste in seiner Zollpolitik zurückrudern. Die Anleger werden zu riskanten Anlagen zurückkehren und dafür teils aus Gold herausgehen. Preisreduktionen von zehn Prozent wären nicht überraschend. Das wäre dann ein guter Einstiegspunkt. Denn wir stehen wirklich vor einem großen ungelösten Problem. Nicht nur die USA haben hohe Schulden. In China liegt die Quote sogar bei 200 Prozent des BIP, in Japan bei 250 Prozent. Wir leben auf Kredit. Wir leben mit dem Kapital unserer Kinder und Enkelkinder. Wenn Sie sich Geld leihen, müssen Sie danach ein Wachstum haben, das höher ist als die Zinssätze, die Sie zahlen. Sonst laufen Sie gegen die Wand. Viele westliche Länder haben sich jahrelang Geld geliehen, um die laufenden Ausgaben zu bezahlen. Nicht für Investitionen in das Wachstum. Wir wissen, wie das endet. Es tut mir leid, das so offen zu sagen.

 

"Ich habe kein Aufwärtsziel mehr. Das Einzige, was ich sagen würde, ist: Es gibt ein asymmetrisches Aufwärtsrisiko."

 

Geben Sie eine Prognose ab, wie weit oder wie hoch der Goldpreis gehen kann?

Louvet: Nein. Ich habe kein Aufwärtsziel mehr. Das Einzige, was ich sagen würde, ist: Es gibt ein asymmetrisches Aufwärtsrisiko. Ich bin in Gold und Edelmetallen investiert, und ich fühle mich sehr wohl damit.

Nicht nur private Investoren kaufen. Wir haben gesehen, dass viele Zentralbanken im letzten Jahr Gold aufgestockt haben.

Louvet: Ab 2022 kauften die Nationalbanken jedes Jahr mehr als 1.000 Tonnen Gold. Das ist das größte Kaufprogramm seit 1967. Interessant ist, dass wir auch wissen, warum sie das machen. In der jährlichen "Central Bank Gold Survey" des World Gold Council war der häufigste Grund, dass Gold kein Kontrahentenrisiko hat; es kann also nicht pleitegehen und ist im Unterschied zu Anleihen niemandes Schuld. Das zeigt uns, was die Zentralbanken über andere Vermögenswerte denken. Die zweithäufigste Antwort lautet: Wir kaufen Gold, weil wir glauben, dass der Realzins über einen langen Zeitraum niedrig bleiben wird. Die Zentralbanken, die die Nominalzinsen festlegen, geben uns also eine Realzinsprognose.

Es wird also weiter gekauft?

Louvet: In der Umfrage sagten zuletzt 29 Prozent der Notenbanken, dass sie ihre Allokation in Gold erhöhen wollen. Und null Prozent gaben eine Reduktion an. Ein Rekordwert seit diese Frage in der Survey gestellt wird.

Vielen Dank für das Gespräch. (eml)