Der französische Premierminister François Bayrou hat eine Vertrauensfrage zu seinem Entschuldungsplan gestellt, welche die Minderheitsregierung aller Voraussicht nach verlieren wird. Das Risiko vorgezogener Parlamentswahlen ist daher sprunghaft gestiegen. Die Abstimmung findet am 8. September statt. Doch die Finanzierungskosten Frankreichs sind schon auf die Ankündigung hin gestiegen und die Aktienkurse kurzfristig um mehr als drei Prozent gefallen. Anleger preisen die hohe Wahrscheinlichkeit eines Regierungswechsels ein.

Politische Dauerprämie in Frankreich
Dass der Kursrückgang bei Aktien nicht kräftiger ausfiel, liegt nach Einschätzung von Nenad Dinic, Aktienstratege bei Julius Bär, auch daran, dass ein Großteil der politischen Prämie bereits eingepreist war. Doch es dürften weitere volatile Wochen bevorstehen.

Christian Schulz, Chief Economist bei Allianz Global Investors, sagt: "Wir rechnen mit einer anhaltend schwachen Performance französischer Risikoanlagen, steigenden Spreads für Staatsanleihen und Gegenwind für den Euro, bis sich die politische Lage beruhigt hat." Er geht davon aus, dass Frankreich zumindest bis zur nächsten Präsidentschaftswahl politisch eher instabil bleiben wird und Schwierigkeiten haben dürfte, seinen "fiskalisch ungesunden Kurs" zu korrigieren. Unter der Krise in Frankreich könnte das europäische Wirtschaftswachstum insgesamt leiden, so Schulz.

Für Frankreich erwartet Schulz anhaltend höhere Zinskosten: "Wir rechnen damit, dass die Prognosen für das französische Haushaltsdefizit für 2026 und darüber hinaus weiter steigen werden, was einen Aufwärtsdruck auf die französischen Kreditkosten ausüben wird." Eine Ansteckungsgefahr anderer Eurostaaten durch die steigenden Spreads französischer Staatsanleihen hält Schulz jedoch für begrenzt.

Geringe Belastung für multinationale Konzerne
Im Aktienbereich dürften sich multinationale Unternehmen aus den Bereichen Konsumgüter und Industrie als besonders widerstandsfähig gegenüber den politischen Turbulenzen erweisen, glaubt Julius-Bär-Experte Dinic. Er hält Finanzwerte für deutlich anfälliger.

Ob es nach der Vertrauensfrage tatsächlich zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist aber nicht klar. Statt Neuwahlen könnte Präsident Emmanuel Macron auch einen neuen Premierminister ernennen und ihn mit einem neuen Haushalt beauftragen. (jh)