Laut einer "Bloomberg"-Umfrage unter Ökonomen wird die Europäische Zentralbank (EZB) im aktuellen geldpolitischen Zyklus noch zwei weitere Zinssenkungen vornehmen. Jeweils 0,25 Prozentpunkte sollen demnach im Juni und im September folgen – auf Basis neuer Quartalsprognosen, die auch die Auswirkungen der US-Handelspolitik unter Donald Trump stärker reflektieren dürften.

Anleger brauchen klare Signale
Einige Befragte warnten davor, mit der zweiten Zinssenkung zu lange zu warten. Anleger könnten sonst fälschlich annehmen, die geldpolitische Lockerung sei bereits abgeschlossen. Laut der Umfrage würde der Einlagensatz mit den zwei erwarteten Schritten auf 1,75 Prozent sinken und dort bis Ende 2026 verharren.

Zins-Pause im Gespräch
EZB-Ratsmitglieder wie der Belgier Pierre Wunsch und der Grieche Yannis Stournaras sprachen sich für eine mögliche Pause nach dem Juni-Schritt aus. Ziel sei es, Spielraum zu gewinnen, etwa um die Unsicherheiten durch mögliche Zölle der USA zu analysieren. Gleichzeitig könnte so das Signal gesetzt werden, dass das Ende der Zinssenkungen näher rückt – ohne dies offiziell zu verkünden.

Laut Umfrage halten knapp 30 Prozent der Analysten nur eine Aussetzung für möglich, bevor Märkte von einem endgültigen Zinssenkungsstopp ausgehen. Ein Viertel meint, zwei Aussetzungen seien denkbar, ohne die Kommunikation der EZB zu gefährden.

Maximale Flexibilität im Fokus
Aus dem Protokoll der letzten EZB-Sitzung geht hervor, dass die Währungshüter als "Leuchtturm der Stabilität" agieren wollen – in einem ohnehin volatilen globalen Umfeld. Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die EZB kein offizielles Ende ihrer Zinssenkungen verkünden wird, um sich maximale Flexibilität zu bewahren.

Ein stärkerer Euro, sinkende Ölpreise und verhaltenes Wachstum könnten das Inflationsziel früher erreichbar machen. Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit hoch: Handelskonflikte, Lieferengpässe und mögliche EU-Gegenzölle stellen neue Herausforderungen dar.

Die im Juni erwarteten EZB-Prognosen dürften laut Analysten das Bild vom März bestätigen – mit niedrigerer Inflation und verhaltenem Wachstum.

Warten auf Trumps Zollpolitik
"Die größte Herausforderung wird sein, wie man mit der anhaltenden Zollunsicherheit umgeht", sagte Carsten Brzeski von ING. Die EZB könne die Auswirkungen erst einschätzen, wenn die 90-tägige Beobachtungsfrist endet. Bis dahin dürften vor allem die disinflationären Faktoren die Zinsentscheidung prägen.

Neben den Leitzinsen wird auch über die quantitative Straffung diskutiert. Einige Währungshüter möchten die Effekte des auslaufenden Anleiheportfolios berücksichtigen. EZB-Direktor Piero Cipollone sagte, Zinssenkungen könnten die straffende Wirkung kompensieren. Laut Umfrage sehen jedoch nur 25 Prozent der Experten hier dringenden Handlungsbedarf. (mb/Bloomberg)