Nein zu EU-Anleihen: US-Börsenbetreiber verweigert Indexaufnahme
Rückschlag für Brüssel: Die Intercontinental Exchange nimmt EU-Schulden nicht in ihre Staatsanleihenindizes auf. Die fehlende Einstufung als staatlicher Emittent belastet die Renditen – und verschärft die Debatte über die Zukunft gemeinsamer EU-Anleihen.
Die Intercontinental Exchange (ICE) wird die gemeinsamen Schulden der Europäischen Union nicht in ihre Staatsanleihenindizes aufnehmen. Das ist ein herber Rückschlag für die EU, die hofft, mehr Investoren anzuziehen und damit ihre Finanzierungskosten zu senken.
In einer Kundenmitteilung, die der Nachrichtenagentur "Bloomberg" vorliegt, begründete die in Atlanta ansässige Börse ihre Entscheidung mit dem fehlenden Konsens über die Klassifizierung der EU als Emittentin.
EU als "supranationale Einheit"
Derzeit stufen große Indexanbieter die EU als supranationale Institution ein. EU-Vertreter sehen darin einen Hauptgrund für die höheren Renditen ihrer Anleihen im Vergleich zu europäischen Staaten mit ähnlichen Kreditratings.
Nach Bekanntwerden der ICE-Entscheidung am Dienstag (19.8.) gaben die Kurse von EU-Anleihen nach. Die Rendite der zehnjährigen Papiere stieg um bis zu vier Basispunkte – der größte Tagesanstieg der Risikoprämie gegenüber deutschen Bundesanleihen seit mehr als einem Jahr.

Forderung nach "sicherem" EU-Vermögenswert
Die Nichtaufnahme ist die jüngste in einer Reihe von Ablehnungen durch Marktanbieter. Sie kommt zu einem heiklen Zeitpunkt: Nach dem Boom gemeinsamer Anleiheemissionen während der Pandemie fordert die EU-Kommission weitere gemeinsame Finanzierungen. Mehrere Mitgliedstaaten lehnen dies jedoch ab – aus Sorge, fiskalisch solidere Länder müssten für schwächere mithaften.
Gleichzeitig werden Stimmen lauter, die Schaffung eines sicheren EU-Vermögenswerts voranzutreiben, der mit US-Staatsanleihen konkurrieren könnte. Befürworter sind unter anderem Philipp Hildebrand, Vice Chairman von Blackrock, und Angel Ubide, Leiter Economic Research für Fixed Income und Makro bei Citadel.
Umstrittene Definition von "staatlich"
Die Debatte dreht sich vor allem um die Frage, ob die EU-Schulden als staatlich gelten sollen. Die ICE schrieb in ihrer Mitteilung: "Einige Interessengruppen sind weiterhin dafür, die Definition eines staatlichen Emittenten um die EU zu erweitern, während andere der Meinung sind, dass die Union nicht dem allgemeinen Verständnis von 'staatlich' entspricht."
Selbst Befürworter räumten laut ICE ein, dass die EU eher eine supra- oder subnationale Einrichtung sei als ein klassischer Staat.
Wiederholte Ablehnung
Die ICE hatte Investoren bereits im vergangenen Jahr gefragt, ob EU-Schulden als staatlich einzustufen seien – und den Vorschlag damals wie heute abgelehnt. Auch MSCI, S&P Global und Bloomberg Index Services Limited (BISL) haben bisher nicht zugestimmt, prüfen die Frage jedoch regelmäßig.

"Wir gehen davon aus, dass andere Indexanbieter im Rahmen ihrer jährlichen Überprüfung der Rentenindizes neue Konsultationen zur EU starten werden, glauben jedoch, dass ein ähnliches Ergebnis wahrscheinlich ist", erklärten die Barclays-Strateginnen Cristina Costa und Annalaura Capuano. "Die EU wird nach wie vor als hybrider Emittent wahrgenommen, und wie die ICE-Konsultation zeigt, gibt es innerhalb der Anlegergemeinschaft noch keinen Konsens zu diesem Thema." (mb/Bloomberg)















