Nach US-Angriff auf Iran: Ölpreise und Märkte erstaunlich resilient
Nach den amerikanischen Bombenangriffen auf iranische Atomanlagen sind die Ölpreise kurz stark gestiegen. Die Nordsee-Sorte Brent verteuerte sich am Montag um bis zu 5,7 Prozent. Zeitweise notierte das Barrel bei 81,40 Dollar. Im Laufe des Vormittags schrumpfte der Aufschlag jedoch wieder zusammen.
Die Ölpreise zeigten sich am Montag (23.6.) weltweit relativ stabil. Nach dem Eingriff der USA in den Krieg zwischen Israel und dem Iran am Wochenende kam es zwar Montagfrüh zu einem kräftigen Anstieg der Ölpreise, im Verlauf des Vormittags sanken die Kurse aber wieder deutlich; WTI lag zuletzt bei einem Minus von rund 1,8 Prozent, Brent bei minus 0,6 Prozent. Die wichtigen Aktienindizes zeigten sich ebenfalls relativ unbeeindruckt.
Mitte Juni hat Israel mit Bombardierungen im Iran begonnen, diesen Sonntag folgten Angriffe der USA. Der Iran ist momentan gemäß Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) der achtgrößte Ölproduzent der Welt; ein Ausfall von Exporten wäre verkraftbar.
Blockadegefahr
Größere Konsequenzen hätte eine mögliche Sperre der Straße von Hormus, die Teheran als Vergeltung in Betracht ziehen könnte. Etwa ein Fünftel der globalen Rohölproduktion wird durch die Wasserstraße transportiert, die zwischen Oman und dem Iran liegt und den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer verbindet.
Das iranische Parlament hat laut staatlichem Fernsehen die Schließung der Meerenge gefordert. Möglich wäre sie nur mit Zustimmung des obersten iranischen Führers, Ajatollah Ali Chamenei.
Schiffe umgekehrt
In den vergangenen Tagen kam es bereits zu Störsignalen im Schiffsverkehr. Dennoch passierten Öl- und Gastanker weiter die Meerenge. Montagmorgen berichtete "Bloomberg", dass zwei Tanker umgekehrt sind. Das griechische Schifffahrtsministerium empfahl bereits, Fahrten durch die Straße von Hormus zu überprüfen und stattdessen in sicheren Häfen zu warten, bis sich die Lage beruhigt.
Etliche Analysten zeigen sich dennoch gelassen. "Die zu Vergeltungszwecken angedrohte Sperrung der Straße von Hormus dürfte an der militärisch-technischen Überlegenheit der Achse Israel-USA scheitern", so Harald Preißler, Kapitalmarktstratege von Bantleon. "Wir gehen nicht davon aus, dass dieser Konflikt die Weltwirtschaft über Monate in Atem halten wird", so Preißler. Er erwartet eine baldige Entspannung bei den Ölpreisen und damit auch bei der Inflation.
Gelassene Kapitalmärkte
Helge Rechberger von Raiffeisen Research verweist darauf, dass die Kapitalmärkte angesichts der Situation verhältnismäßig gelassen bleiben. "Die Resilienz der Finanzmärkte ist verblüffend", so Rechberger.
Von einer Beruhigung geht Bob McNally, Gründer von Rapidan Energy Advisers, im Interview mit "Bloomberg TV" aus. Seit Beginn des Krieges sei der Ölpreis um gut zehn Dollar pro Barrel gestiegen. Das derzeit eingepreiste Risikoniveau sei angemessen, so der ehemalige Energieberater des Weißen Hauses. Es werde abgewartet, ob Israel oder der Iran diesen Konflikt über militärische und politische Ziele hinaus auf die Energieversorgung ausweiten.
Kurzfristige Schwankungen im Auge behalten
Bei LBBW Research heißt es, dass dennoch "insgesamt weiterhin Vorsicht geboten" bleibe. "Je nach Nachrichtenlage könnte es kurzfristig zu weiteren Kursschwankungen dies- und jenseits des Atlantiks kommen", so das Analyseteam der Stuttgarter Landesbank.
150 Dollar möglich
Kpler-Analystin Muyu Xu warnte: "Wenn der Iran die Straße von Hormus blockiert, und sei es nur für einen Tag, kann der Ölpreis vorübergehend auf 120 oder sogar 150 Dollar steigen."
RBC Capital Markets merkt an, es könne "einige Tage oder sogar Wochen dauern, bis die iranische Reaktion auf diesen beispiellosen Angriff erkennbar wird". Die Analysten warnen davor, "jetzt vorschnell zu sagen: 'Das Schlimmste liegt hinter uns'".
Erster Angriff der USA auf Atomanlagen
In der Nacht auf Sonntag hatten die USA erstmals direkte Militärangriffe auf iranische Atomanlagen geflogen, um das Nuklearprogramm des Landes zu schwächen. Dabei wurden Ziele in Fordo, Natans und Isfahan getroffen. US-Präsident Donald Trump drohte mit weiteren Militäraktionen, sollte der Iran keinen Frieden schließen. Als Antwort darauf warnte Teheran, die Schläge würden "ewige Konsequenzen" haben. (eml)