Die Europäische Zentralbank (EZB) nähert sich dem letzten Abschnitt ihres Zinssenkungszyklus. Interne Spaltungen dürften dabei in den kommenden Monaten die Entscheidungsfindung erschweren, wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" es formuliert. Die erwartete Senkung des Einlagensatzes von 2,75 auf 2,50 Prozent am kommenden Donnerstag (6.3.) wird wahrscheinlich der letzte Schritt sein, auf den sich die 26 Währungshüter im EZB-Rat leicht einigen können. Die Debatte darüber, wie weit und wie schnell danach noch gesenkt werden soll, hat bereits begonnen.

Die Zinsen nähern sich inzwischen einem Niveau, das die Konjunktur in der Eurozone nicht mehr bremst, weshalb einige im EZB-Rat vor einer zu starken Lockerung warnen. Indessen überschattet die Aussicht auf US-Handelszölle den europäischen Wachstumsausblick. Ein Friedensabkommen in der Ukraine – so weit entfernt diese Vorstellung zum jetzigen Zeitpunkt auch sein mag – würde die Konjunkturaussichten indessen dramatisch aufhellen.


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"Die zunehmenden Kontroversen machen es sicherlich nicht einfacher, sich auf weitere Zinssenkungen zu einigen, und dies könnte dazu führen, dass das Tempo etwas nachlässt", meint Jari Stehn, Chefökonom für Europa bei Goldman Sachs. "Eine Pause im April scheint möglich, aber eine weitere Senkung ist immer noch wahrscheinlich." Auch die von "Bloomberg" befragten Analysten sehen die Aussichten als unsicherer an. Während sie fast einstimmig eine Zinssenkung in dieser Woche prognostizieren, geht etwa ein Viertel von keiner Änderung im April aus. Anleger sind in Bezug auf jenen Monat ebenfalls zwiegespalten.

Im Vorfeld der in dieser Woche anstehenden geldpolitischen Sitzung haben Falken im EZB-Rat bereits die Meinung vieler Ökonomen in Frage gestellt, dass der Einlagensatz bis Mitte des Jahres reibungslos gen zwei Prozent sinken wird. Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte, sie sei sich nicht sicher, ob die Geldpolitik noch restriktiv sei. Der Belgier Pierre Wunsch forderte die Währungshüter auf, nicht "schlafwandelnd auf zwei Prozent zuzusteuern". Laut Bundesbankpräsident Joachim Nagel sollte man sich nicht zu weiteren Kürzungen drängen lassen.

Tauben contra Falken
Aus dem Taubenlager hieß es von Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau, dass man "im kommenden Sommer bei zwei Prozent sein könnte". Direktoriumsmitglied Piero Cipollone nannte die parallele Rücknahme früherer Stimulusmaßnahmen durch die EZB als Anlass für eine aggressivere Lockerung. Laut Griechenlands Yannis Stournaras werden die Währungshüter die letzten beiden Zinssenkungen möglicherweise erst im Herbst vornehmen, was eine Pause auf dem Weg dorthin bedeutet.

"Im April und möglicherweise im Juni könnte die EZB stärker von Datenpunkten abhängig sein", sagt Kamil Kovar von Moody's Analytics mit Blick auf die zwei Sitzungen nach dem März-Treffen. "Wenn die Inflationszahlen vor der April-Sitzung hoch ausfallen, wird es keine Senkung geben. Wenn sie niedrig ausfallen, wird es eine Senkung geben."

Unsicherheit durch US-Politik
Eine weitere Frage ist, ob US-Präsident Donald Trump seine Zolldrohungen auf europäische Waren tatsächlich umsetzt. Bei der Berechnung möglicher Auswirkungen hat sich die EZB wegen mangelnder Details bislang zurückgehalten, obwohl sie einräumt, dass das Wachstum einen Dämpfer erhalten würde. Die Folgen für die Inflation sind weniger klar. Aber zumindest auf längere Sicht könnte der Aufwärtsdruck überwiegen, meint Lena Komileva, Chefökonomin bei G Plus Economics.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Aussicht auf eine Erhöhung der Staatsausgaben – insbesondere für Verteidigung – besteht. Der Grund liegt vor allem in der Haltung Trumps, dass die USA die Sicherheit Europas nicht mehr garantieren werden. Dies könnte zwar zu steigenden Anleiherenditen führen, aber die Auswirkungen auf die Inflation dürften noch auf sich warten lassen. Das liegt daran, dass Militärausgaben andere wirtschaftliche Auswirkungen haben als Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit – zum Teil, weil das Geld an Unternehmen im Ausland fließt, und zum Teil, weil es nicht über Nacht ankommt.

Alles in allem und unter Berücksichtigung der jüngsten Verlangsamung von Inflation und Löhnen "kann man durchaus für eine weitere Senkung im April argumentieren", sagt Peter Schaffrik, Makrostratege bei RBC Capital Markets. "Irgendwo zwischen 2,50 und zwei Prozent dürften die Stimmen, die eine Pause fordern, jedoch lauter werden." (Bloomberg/fp)