Lockerung der deutschen Schuldenbremse schüttelt Finanzmärkte durch
Hunderte Punkte runter, hunderte Punkte rauf: Die Dax-Entwicklung gleicht dieser Tage einer Achterbahnfahrt. Die Aussicht auf milliardenschwere Sondertöpfe für Rüstung und Infrastruktur lässt die Börsianer die Angst vor den US-Zöllen vergessen. Die Kurse deutscher Staatsanleihen dagegen sacken ab.
Die Ankündigung, die deutsche Schuldenbremse für eine enorme Aufstockung der Verteidigungsausgaben und ein Infrastrukturpaket zu lockern, hat zu heftigen Reaktionen an den Finanzmärkten geführt. Der Euro schnellte am Mittwoch (5.3.) auf den höchsten Stand zum US-Dollar seit fast vier Monaten. Der Dax, der am Dienstag angesichts des aufziehenden Handelskrieges noch seinen höchsten Tagesverlust seit drei Jahren verbucht hatte, erholte sich deutlich. Zehnjährige Bundesanleihen büßten dagegen kräftig an Wert ein.
Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz sagte am Dienstagabend, Deutschland werde das Grundgesetz ändern, um Rüstungsausgaben von den Haushaltsbeschränkungen auszunehmen. "Ich will es sehr deutlich sagen: Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: 'Whatever it takes'." Die Parteien der Mitte hätten sich auch darauf geeinigt, einen 500 Milliarden Euro schweren Infrastrukturfonds aufzulegen. Berlin setze darauf, dass die USA auch künftig zu Bündnisverpflichtungen stehen, so Merz. "Wir wissen aber auch, dass die Mittel für unsere Landes- und Bündnisverteidigung jetzt erheblich ausgeweitet werden müssen."
"Deutschlands Zinsvorteil wird kleiner"
Am Dienstag war der Dax noch um gut 3,5 Prozent abgesackt. Jochen Stanzl, der Chef-Marktanalyst von CMC Markets, verwies auf die "Angst vor einem Handelskrieg". Am Mittwochvormittag hatte der deutsche Leitindex diesen Verlust dann beinahe wieder aufgeholt und näherte sich der Marke von 23.000 Punkten, die er zu Wochenbeginn erstmals überschritten hatte. "Für den Aktienmarkt wirkt das neue Politikpaket wie ein riesiges Konjunkturpaket", sagte Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements bei QC Partners. "Viele Branchen und Firmen dürfen sich jetzt auf zusätzliche Großaufträge freuen."
Für den Staatshaushalt sind die neuen Schulden hingegen keine gute Nachricht. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg am Mittwochmorgen um 23 Basispunkte auf 2,73 Prozent – der Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge war das der größte Sprung seit Juni 2022. Entsprechend sackte der Kurs der Staatspapiere ab. "Mit den zusätzlichen Schulden rückt Deutschland jetzt ein Stück weit näher an die höher verschuldeten Staaten der Eurozone heran", sagte Altmann. "Der Zinsvorteil, den Deutschland bisher hatte und noch immer hat, wird damit kleiner."
"Positive Wachstumstendenz"
Der Euro hingegen legte im Vergleich zum US-Dollar deutlich zu. Einige Devisenstrategen gaben Kaufempfehlungen für die Gemeinschaftswährung ab, darunter die Deutsche Bank und die Société Générale. Sie setzen darauf, dass sich der Euro besser entwickelt als der Greenback, da Europa Maßnahmen ergreift, um die Wirtschaft zu stützen und mögliche Auswirkungen der US-Zölle zu begrenzen. Der Ausblick für die US-Wirtschaft indessen trübe sich ein. Der Euro kletterte am Mittwochmorgen auf 1,0639 Dollar, den höchsten Stand seit Mitte November vergangenen Jahres.
Das Team um Georgios Saravelos, den Chef der Devisenstrategie der Deutschen Bank, geht davon aus, dass die Gemeinschaftswährung bis auf 1,10 Dollar steigen wird. "Europa und insbesondere Deutschland zeigen eine historisch beispiellose Reaktionsfähigkeit bei der Überarbeitung der Haushaltspolitik", schrieb er in einer Mitteilung an Kunden. "Diese Flexibilität wird wahrscheinlich nicht nur die möglichen Auswirkungen kommender Zölle abschwächen, sondern auch eine positive Wachstumstendenz erzeugen, sobald die Auswirkungen der Zölle absorbiert sind." Die bereits angekündigten US-Zölle dürften "spürbare negative Auswirkungen auf die US-Wirtschaft" haben, fügte Saravelos hinzu. In einer separaten Mitteilung kündigten Ökonomen der Deutschen Bank an, dass sie ihre Wachstumsprognose für Deutschland von einem Prozent für das nächste Jahr "deutlich nach oben" korrigieren könnten. (bm/Bloomberg)