Angesichts der Konjunkturflaute im Euroraum und des in Reichweite gerückten Inflationsziels von zwei Prozent hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag (30.1.) zum fünften Mal seit vergangenem Juni die Leitzinsen herabgesetzt. Die Senkung des Einlagensatzes um 25 Basispunkte auf 2,75 Prozent bestätigte die einhellige Erwartung der von "Bloomberg" im Vorfeld befragten Volkswirte. Die Währungshüter bezeichneten die Geldpolitik in ihrer Mitteilung als noch immer "restriktiv", was für eine weitere Lockerung spricht.

"Der Disinflationsprozess schreitet gut voran", hieß es. "Die Wirtschaft hat weiterhin Gegenwind, doch steigende Realeinkommen und die allmählich nachlassenden Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik dürften mit der Zeit ein Anziehen der Nachfrage begünstigen." Die Inflation habe sich im Wesentlichen weiterhin im Einklang mit den Projektionen des EZB-Stabs entwickelt. Im Jahresverlauf dürfte sie zum mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent zurückkehren, hieß es. "Die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation deuten darauf hin, dass sich die Inflation nachhaltig im Bereich des Zielwerts einpendeln wird."

Keine Debatte über großen Zinsschritt
Die Entscheidung zur Zinssenkung fiel nach Angaben von Christine Lagarde einstimmig. Eine Herabsetzung um 50 Basispunkte habe dabei nicht zur Debatte gestanden, so die EZB-Präsidentin. Für eine Diskussion über das Endniveau im Lockerungszyklus sei es noch zu früh.

Die Kreditstandards für Unternehmenskredite wurden im vierten Quartal 2024 erneut verschärft, nachdem sie sich in den vorangegangenen Quartalen weitgehend stabilisiert hatten, so Lagarde. "Die erneute Verschärfung spiegelte vor allem die wachsende Besorgnis der Banken über die Risiken wider, denen ihre Kunden ausgesetzt sind, und ihre geringere Bereitschaft, selbst Risiken einzugehen."

Zunehmende Unsicherheit
Mit Bezug auf die Auswirkungen eines Handelskriegs auf das Preisumfeld im Euroraum sagte Lagarde, "größere Reibung im globalen Handel würde die Inflationsaussichten für den Euroraum unsicherer machen". Derzeit gebe es "erhebliche und wahrscheinlich zunehmende Unsicherheit", führte sie aus. Ob Zölle inflationär oder deflationär wirkten, hänge davon ab, "ob es eine Reihe von Entscheidungen mit variablen Sätzen auf der ganzen Welt gibt, ob es zu Umleitungen des Handels kommt, ob es zu Vergeltungsmaßnahmen kommt oder nicht". Nur eines sei sicher, so Lagarde, "dass es weltweit negative Auswirkungen haben wird".

Wie ordnen Ökonomen, Portfoliomanager und Anlagestrategen die Ergebnisse der Zinssitzung ein? FONDS professionell ONLINE hat die wichtigsten Aussagen aus ausgewählten Kommentaren in der Bildergalerie oben für Sie zusammengestellt. Einfach durchklicken! (Bloomberg/fp)