Der französische Premierminister Sébastien Lecornu ist am Montag (6.10.) zurückgetreten – nur einen Tag nach der Ernennung eines neuen Kabinetts durch Präsident Emmanuel Macron. Dies vertieft die politische Krise des Landes und hat einen Ausverkauf französischer Vermögenswerte ausgelöst.

Der Premierminister trat weniger als 24 Stunden nach der Bekanntgabe einer Regierung zurück, die die meisten ranghohen Mitglieder aus früheren Kabinetten beibehielt. Das verärgerte die Oppositionsparteien, die einen Wandel forderten. In einer überraschenden Wendung kritisierte jedoch auch der wiedereingesetzte Innenminister Bruno Retailleau, der die Mitte-Rechts-Partei Les Républicains anführt, die Ministerwahl als unzureichenden "Bruch" mit der Vergangenheit.

Risikoaufschlag zu Bundesanleihen steigt
Angesichts der zunehmenden politischen Unsicherheit gaben französische Anleihen nach. Die Rendite zehnjähriger Papiere stieg um neun Basispunkte auf 3,6 Prozent. Damit vergrößerte sich der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen – ein wichtiger Indikator für das Haushaltsrisiko – auf über 89 Basispunkte, den höchsten Stand seit Ende 2024. Unterdessen fiel der Euro gegenüber dem Dollar um 0,7 Prozent. Der französische Aktienleitindex Cac 40 gab um bis zu 2,1 Prozent nach, grenzte die Verluste später aber ein.

Olivier Faure, der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, die im Parlament als Zünglein an der Waage gilt, sagte, Macrons Gruppe sei dabei zu implodieren, und die neue Regierung habe keine Legitimität mehr. "Wir erleben eine beispiellose politische Krise", sagte er, kurz bevor Lecornu seinen Rücktritt bekannt gab.

Drei wesentliche Optionen
Lecornu stand vor dem gleichen unlösbaren Problem, das bereits seine beiden Vorgänger zu Fall gebracht hatte: Er musste einen Haushalt durch ein zersplittertes Parlament bringen, der unpopuläre Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vorsah, die notwendig sind, um das größte Defizit in der Eurozone in den Griff zu bekommen.

Macron hat nun drei Hauptoptionen: Er kann einen neuen Premierminister ernennen, der dann ein neues Kabinett vorschlagen müsste; er könnte Parlamentswahlen ausrufen; oder er könnte selbst zurücktreten – diesen Schritt hatte er zuvor ausgeschlossen. Die Frist für die Einreichung eines regulären Haushalts ist der 13. Oktober, was bedeutet, dass die Regierung wahrscheinlich auf Notmaßnahmen zurückgreifen muss.

"Die aktuelle Situation bringt uns näher an Neuwahlen"
Lecornus unmittelbarer Vorgänger François Bayrou musste vergangenen Monat zurücktreten, nachdem er eine Vertrauensabstimmung über seinen Plan zur drastischen Reduzierung des Defizits im kommenden Jahr verloren hatte. Im vergangenen Dezember wurde auch sein Vorgänger Michel Barnier wegen vorgeschlagener Haushaltskürzungen aus dem Amt gedrängt.

"Die aktuelle Situation bringt uns näher an Neuwahlen, und in diesem Szenario würde ich erwarten, dass der Spread steigt und 100 Basispunkte testet", sagte Vincent Juvyns, Chefanlagestratege der ING in Brüssel, in einem Interview vor Lecornus Rücktritt. In der Bilderstrecke oben hat FONDS professionell ONLINE weitere Reaktionen aus der Finanzbranche auf die Krise in Frankreich zusammengetragen. (Bloomberg/fp)