Kenneth Rogoff über drohendes Risiko von US-Kapitalkontrollen
"Es ist praktisch alles möglich", sorgt sich US-Ökonom Kenneth Rogoff in einem Interview um die Zukunft des US-Dollar. Und spielt auf einen erneuten Anstieg der Inflation bis hin zu Kapitalverkehrskontrollen und einen partiellen Zahlungsausfall durch die Besteuerung ausländischer Bondinvestoren an.
Nicht ohne Grund hat Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff seinem im Frühjahr erschienenen Buch ganz offensichtlich den Originaltitel "Our Dollar, Your Problem" gegeben. Auch wenn sich Rogoff in seinem Buch mit dem Aufstieg und zeitweisen Fall des Dollar über sieben Jahrzehnte hinweg auseinandersetzt: Sein Thema könnte kaum besser gewählt sein angesichts der aktuellen Diskussion um die Zukunft der US-Währung.
Der Titel – zu deutsch "Unser Dollar, Euer Problem" – ist eigentlich ein Zitat aus dem Jahr 1971, das Rogoff bei John Connally, früherer US-Finanzminister unter Präsident Richard Nixon, entlehnt hat. Die überraschende Abschaffung der Goldbindung des Dollar hatte damals international für tiefe Verunsicherung gesorgt, insbesondere bei europäischen Regierungen, die große Bestände an US-Staatsanleihen hielten. Was von Connally aber nur kühl mit diesen vier Worten kommentiert wurde.
Amerikanische Arroganz
Rogoff sieht darin eine in mehrfacher Hinsicht spürbare und bis heute wirkende amerikanische Arroganz, die zwar zum Teil historisch verständlich, aber volkswirtschaftlich schädlich ist – auch für die USA selbst, wie er in einem aktuellen Interview mit "The Market", einem Ableger der "Neuen Zürcher Zeitung", betont. Habe doch insbesondere die nachfolgende Inflation gezeigt, dass eine Entkopplung vom Goldstandard die Stabilität der US-Währung und der Weltwirtschaft verletzte.
Heute stehe die globale Finanzordnung erneut vor einem ähnlichen Wendepunkt, so Rogoff weiter. Der Dollar sei nach wie vor die dominante Reserve- und Handelswährung, viele Länder würden ihre Wechselkurse an ihn koppeln, eine Reihe internationaler Verträge auf ihm basieren. Wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen und inflationäre Impulse in den USA könnten daher massive weltweite Verwerfungen auslösen, befürchtet der US-Ökonom. Und benennt im Gespräch explizit die Risiken eines erneuten Preisanstiegs oder gar direkter Kapitalverkehrskontrollen in den USA, ausgelöst durch die hohe Staatsverschuldung und steigende Zinsen. "Es ist praktisch alles möglich, auch ein partieller Zahlungsausfall durch die Besteuerung ausländischer Bondinvestoren", so Rogoff.
Abkehr von liberaler Finanzmarktpolitik
Damit verweist er darauf, dass die US-Regierung gezwungen sein könnte, eine strenge Regulierung der Kapitalflüsse einzuführen, was einer dramatischen Abkehr von der liberalen Finanzmarktpolitik gleichkäme. Solche Kapitalverkehrskontrollen würden nach seiner Erwartung weitreichende negative Folgen für die internationalen Märkte haben. Sie könnten das Vertrauen in US-Staatsanleihen untergraben, die Preise am Bondmarkt durch höhere Zinsforderungen in die Höhe treiben und weltweite Finanzvolatilität auslösen. "Wir treten in eine Phase ein, in der sich die Märkte wesentlich unruhiger verhalten werden", zeichnet Rogoff im Gespräch das Bild einer unsicheren Zukunft.
Eine weitere Ursache für den strukturellen Wandel sieht Rogoff in der Verbreitung von Kryptowährungen, vor allem sogenannten Stablecoins, die an den zunehmenden Bedarf nach alternativen Zahlungsmechanismen anknüpfen. Hier warnt der Ökonom mit deutlichen Worten: "Die US-Regierung kreiert damit eine Art Super-Cash, das Steuerhinterziehung und andere illegale Aktivitäten weltweit begünstigen wird."
Integrität des weltweiten Finanzsystems in Gefahr
Stablecoins würden nahezu anonyme Transaktionen ermöglichen, die klassische Finanzaufsichtsbehörden vor große Probleme stellen. Die technologischen Kontrollmechanismen seien unzureichend, um Geldwäsche oder Steuerhinterziehung effektiv zu unterbinden, kritisiert Rogoff und befürchtet, dass die digitale Entwicklung Kräfte potenzieren wird, die nicht nur den Dollar als globalen Finanzanker verdrängen könnten, sondern auch Risiken für die Integrität des weltweiten Finanzsystems bergen. (hh)















