Kapitalmarktexperte: "Trumps Wünsche gehen mit Inflation einher"
Das Börsenjahr 2025 wird durch Inflation, Zinsschritte und vor allem durch politische Entscheidungen geprägt, sagt Wolf von Rotberg von J. Safra Sarasin. Was er für die Kapitalmärkte in den USA, Europa und China erwartet.
Republikanische Präsidenten beflügeln meist die Hoffnungen der US-Börsen. So auch diesmal. Die Aktienmärkte haben von Rekordkursständen den Gewinn des republikanischen Kandidaten Donald Trump im November mit einer zusätzlichen Kursrally gefeiert. Nicht unrealistisch, dass eine Ernüchterung folgt. Wolf von Rotberg, Executive Director im Research-Team von J. Safra Sarasin, verwies bei einem Gespräch vor Journalisten in Wien auf die historisch hohen Bewertungen an den US-Börsen bei gleichzeitig schwierigen wirtschaftlichen Voraussetzungen und jüngsten Fehleinschätzungen der US-Notenbank Fed, die nur noch wenig Raum für konjunkturfördernde Zinssenkungen hat.
Die Fed habe sich zu sehr auf die Sorge um den Arbeitsmarkt konzentriert und die gegen Jahresende wieder anziehende Inflation unterschätzt. "Es wäre besser gewesen, wenn sie schon im November keine Leitzinssenkungen mehr vorgenommen hätte", so von Rotberg. Dass die Inflation sich wieder abschwächt, ist nach seiner Ansicht kaum zu erwarten. Zumal die Ankündigungen Trumps, der am 20. Jänner angelobt werden soll, ebenfalls auf eine Ankurbelung der Teuerung schließen lassen. Unter anderem hat Trump hohe Zölle gegen die wichtigen Handelspartner China, Kanada und Mexiko sowie gegen andere Länder in Aussicht gestellt. Seine "America First"-Strategie bedeutet einen weiteren Rückbau der Globalisierung und folglich eine Verteuerung von Produkten. Eine steigende Teuerung würde am Ende Trumps Wahlkampfversprechen zuwiderlaufen, der sich den Kampf gegen die Inflation an die Fahnen geheftet hat.
Märkte haben Risiken nicht eingepreist
"Der Wachstumsboost für die amerikanische Wirtschaft, den Trump sich wünscht, geht mit Inflation einher", sagt von Rotberg. Bisher hätten die Märkte damit verbundene Risiken weitgehend ignoriert. Würden die US-Börsen die jüngsten – eventuell zu optimistischen – Zinssenkungen wieder auspreisen, seien Rücksetzer von fünf bis zehn Prozent nicht undenkbar. Das Goldilocks-Szenario der vergangenen Jahre, also eine gute Wirtschaft bei sinkenden Zinsen, sei vorbei.
Für das Gesamtjahr ist laut von Rotberg dennoch keine Panik angebracht. Eher vorsichtiger Optimismus, wie er betont. Für den S&P 500 sieht der Experte ein moderates Ziel bei um die fünf Prozent Plus. Trump sei generell kein Präsident, der fallende Aktienmärkte sehen will. Aus den Erfahrungen seiner vorigen Präsidentschaft sei davon auszugehen, dass Zölle selektiver verhängt werden als angekündigt. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass man mit Maximalforderungen auftritt, man aber mit einem Ergebnis aus den Verhandlungen geht, das niemandem zu sehr schadet, und dieses dann als großen Erfolg verkauft", so von Rotberg. Zudem würden die von Trump geplanten Steuersenkungen für Unternehmen die Gewinne deutlich steigern.
Europa als Hingucker
Als spannend erachtet das Research-Team von J. Safra Sarasin momentan Europa. Europäische Aktien seien vergleichsweise günstig und hätten Aufholpotenzial. Unterstützung dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) liefern. "Was den Rückgang der Inflation betrifft, steht Europa etwas besser da als die USA. Die EZB hat mehr Spielraum für Zinssenkungen. Wir glauben, dass die EZB bis in den Sommer hinein bei jeder Sitzung die Zinsen senken wird", sagt von Rotberg. "Europa ist aus unserer Sicht in den nächsten Monaten ein taktischer Call", meint er.
Dass die Wirtschaft in der Eurozone seit einiger Zeit kaum wächst, liege momentan hauptsächlich am kontinentalen Nachfragemangel. Die Konsumenten sind extrem zurückhaltend. So liegt die Sparrate deutscher Haushalte bei über zehn Prozent, in den USA hingegen nur bei rund zwei Prozent. Eine bessere Verbraucherstimmung würde die Wirtschaft ankurbeln. Dazu beitragen könnte ein Szenario, in dem bei den deutschen Bundestagswahlen im Februar ein Kanzler der konservativen, wirtschaftsorientierten CDU zum Zug kommt. Von Rotberg geht davon aus, dass in diesem Fall die deutsche Schuldenbremse gelockert wird. Vorausgesetzt, es kommt für dieses Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit mit unterstützenden Parteien zusammen. "Es ist ein Jahr, in dem politische Entscheidungen die Finanzmärkte stark prägen werden", sagt von Rotberg.
China in der Investitionskrise
Skeptisch zeigte er sich zu China. Zwar gewinne China im globalen Süden an Einfluss. Allerdings stecke die Volkswirtschaft in einer inländischen Investitionskrise. Es bräuchte einen fiskalen Stimulus, um die Inlandsnachfrage anzukurbeln, doch das widerspreche der Philosophie der Regierung. Diese versuche momentan, sich aus dem Problem "herauszuexportieren". Mit einem Erfolg, der kaum als nachhaltig bezeichnet werden kann: Die Ausfuhren steigen zwar, die Exportpreise sind aber stark gesunken. Die Unternehmen leiden an hohen Überkapazitäten und extrem tiefen Margen und überleben oft nur dank staatlicher Supports. (eml)