Nach einem beispiellosen Ausverkauf türkischer Vermögenswerte in der vergangenen Woche versuchen führende Wirtschaftsvertreter der Regierung, internationale Investoren zu beruhigen. Finanzminister Mehmet Şimşek und Zentralbankgouverneur Fatih Karahan werden am Dienstagnachmittag (25.3.) in einer von der Citigroup und der Deutschen Bank organisierten Telefonkonferenz sprechen, wie das Finanzministerium auf seiner Website mitteilte.

Am Aktien-, Renten- und Devisenmarkt war es nach der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu am vergangenen Mittwoch zu hohen Kursverlusten gekommen. Beispielsweise verlor der Istanbuler Leitindex vergangene Woche 17 Prozent an Wert. Der Oppositionsführer ist der populärste politische Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. İmamoğlus Festnahme löste Massenproteste aus, die nach wie vor anhalten.

Die türkischen Behörden reagierten mit Notfallmaßnahmen, um den Absturz an den Märkten zu stoppen. Unter anderem wurde der Leitzins für Tagesgeld erhöht, die Landeswährung Lira mit Interventionen am Devisenmarkt gestützt und ein Verbot von Leerverkäufen türkischer Aktien verhängt. Daraufhin beruhigten sich die Märkte zumindest vorübergehend.

Die Opposition ruft zum Boykott auf
Finanzminister Şimşek, ein ehemaliger Wall-Street-Banker, und Zentralbankchef Karahan werden auf der Telefonkonferenz wohl bekräftigen, ihre weitgehend investorenfreundliche Politik beibehalten zu wollen. "Wir werden niemals zulassen, dass die Erfolge unseres Wirtschaftsprogramms der letzten zwei Jahre zunichte gemacht werden", hatte Erdoğan nach einer Kabinettssitzung am Montag (24.3.) gesagt.

Özgür Özel, der Vorsitzende von İmamoğlus Partei, hatte am selben Tag zum Boykott von Marken und Unternehmen aufgerufen, die seiner Meinung nach mit Regierungskreisen in Verbindung stehen – die Liste reichte von Medienunternehmen über Tankstellen bis hin zu einer Kaffeehauskette.

"Ein schlechtes Signal für den demokratischen Prozess"
Ob es der Regierung gelingt, die Anleger zu beruhigen, ist fraglich. "Investoren haben sich auf breiter Basis von der Türkei abgewandt", sagt Volker Kurr, Europachef des britischen Asset Managers L&G (früher bekannt als Legal & General Investment Management). İmamoğlus Festnahme sei "ein schlechtes Signal für den demokratischen Prozess" und habe einen heftigen Ausverkauf der türkischen Lira ausgelöst. Davor stand die Währung bei Investoren durchaus hoch im Kurs: "Einschließlich der beträchtlichen Zinsen, die in der Lira verdient wurden, konnten Anleger im vergangenen Jahr Renditen von 25 Prozent gegenüber dem US-Dollar erzielen", rechnet Kurr vor.

Der Vermögensverwalter habe seine "taktische Long-Position in der Lira bereits vor einigen Monaten geschlossen" und sehe "angesichts der Schwäche bisher keinen Grund für einen Wiedereinstieg", so der L&G-Manager. Die Bereitschaft der türkischen Behörden, die Währung zu stabilisieren, sei zwar klar sichtbar. "Angesichts der sinkenden Reserven verlagert sich unser Fokus nun aber auf die Frage, ob und wie lange dies so weitergehen kann", gibt Kurr zu bedenken. "Aktuell ist die Entschädigung, die Investoren für das Risiko in türkischen Anlagen erhalten, unserer Ansicht nach nicht ausreichend für einen Wiedereinstieg", meint er. Oder anders formuliert: "Das Verhältnis zwischen Chance und Risiko hat sich nicht zu Gunsten der Investoren verschoben." (bm/Bloomberg)