Investoren finanzieren Waffenhersteller: "Ein perverser Anreiz"
Europa muss sich verteidigen können – das steht außer Frage. Doch woher soll das Geld für die Aufrüstung kommen? Bitte nicht von privaten Investoren, meint Triodos-IM-Chefin Hadewych Kuiper.
Die Finanzierung der notwendigen Rüstungsgüter sollte Sache der Regierungen bleiben – und nicht in der Hand privater Investoren liegen. Diese Meinung vertritt Hadewych Kuiper, die Chefin von Triodos Investment Management. "Es liegt in der Verantwortung unserer Regierungen, uns vor Bedrohungen zu schützen und zu verteidigen", betont sie. "Deshalb verfügen sie über das Gewaltmonopol sowie über außerordentliche Befugnisse, Mittel zu beschaffen und in solchen Momenten schnell zu handeln. Schließlich machen Staats- und Regierungschefs auf dem ganzen Kontinent momentan von diesen Befugnissen Gebrauch."
Wenn Regierungen Waffen kaufen, kontrollieren sie diese, argumentiert Kuiper. Sie entscheiden auch, in welche Arten von Waffen sie investieren. "Nach dem humanitären Völkerrecht dürfen sie zum Beispiel keine nuklearen, biologischen, chemischen oder andere umstrittenen Waffen kaufen, die unverhältnismäßig sind und in der Regel nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden können."
Waffenhersteller wollen Konflikte schüren, nicht beenden
Die Regierungen hätten dann auch die Kontrolle darüber, was nach dem Ende eines Krieges oder einer Krise mit den verbleibenden Rüstungsgütern geschehen solle. Dies sei von entscheidender Bedeutung: "Sie müssen den Willen des Volkes umsetzen und werden bei ihren Entscheidungen genau überprüft werden. Denn die Waffen, die von Regierungen gekauft werden, werden durch Schulden und Steuern finanziert. Diese Finanzstruktur bietet einen weiteren Anreiz, Konflikte schnell und friedlich zu beenden." Wenn private Investoren in Waffenhersteller investieren, sei dies nicht der Fall. "Wir können die offensichtliche Tatsache nicht ignorieren, dass es das Geschäftsmodell dieser Unternehmen und ihrer Investoren ist, von solchen Konflikten zu profitieren."
Waffenhersteller und ihre Investoren hätten ein überwältigendes finanzielles Interesse daran, die Gefahr zu schüren, ihre Kunden zum Kauf weiterer Waffen zu bewegen und Kriege so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, argumentiert Kuiper. "Und wenn der Krieg vorbei ist, werden sie sich nach anderen Märkten und Konflikten umsehen, um ihre Produkte zu verkaufen." Schließlich würden sie in Kriegszeiten reich. "Wenn private Investoren Waffenhersteller finanzieren, entsteht ein perverser Anreiz, Konflikte am Laufen zu halten", meint die Triodos-IM-Chefin. Dies sei ein "grundlegender Fehler", der mit der Finanzierung der Waffenindustrie durch Privatinvestoren einhergehe, und widerspreche dem Ziel, Frieden zu schaffen.
Finanzieren Investoren womöglich dubiose Spenden an Politiker?
Kuiper bescheinigt diesen Anlegern zudem eine "äußert begrenzte Transparenz" darüber, welche Arten von Waffen hergestellt oder gegen wen sie eingesetzt würden. "Sie endet faktisch in dem Moment, in dem die Waffen die Fabrik verlassen." Insbesondere der Markt für Gebrauchtwaffen sei völlig undurchsichtig. "Es wäre äußerst leichtsinnig von Investoren, Pensionsfonds oder Banken, hierzu Annahmen zu treffen", meint Kuiper. "Wenn tödliche Waffen den Besitzer wechseln, so zeigt die Geschichte, landen sie oft an unheilvollen Orten, wo sie für Zerstörung und Terrorismus eingesetzt werden. Auch wenn private Investoren glauben, die Aufrüstung Europas zu finanzieren, könnten sie am Ende genauso gut Schießereien an Schulen, Zivilopfer oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit anderswo auf der Welt ermöglichen."
Das Geld privater Investoren könnte von Waffenherstellern auch für dubiose Spenden an Politiker verwendet werden, befürchtet Kuiper. "Allein im Jahr 2024 zahlten Rüstungsunternehmen mehr als 148 Millionen Dollar an US-Politiker, um deren Politik zu beeinflussen und Verträge zu erhalten", nennt sie ein Beispiel. "Dies untergräbt die Demokratie, also genau das Konzept, das wir zu bewahren und zu schützen versuchen."
Ein diametraler Gegensatz zu jeglichen Nachhaltigkeitszielen
Für nachhaltig orientierte Investoren sind Investments in Waffen Kuiper zufolge ohnehin tabu, "da der eigentliche Zweck von Waffen, nämlich Tod und Zerstörung zu verursachen, jeglichen nachhaltigen oder ESG-Zielen diametral entgegengesetzt ist". Diesen Anlegern komme eine andere Aufgabe zu: "Wir müssen in eine Gesellschaft investieren, die die Lebensqualität aller ihrer Mitglieder schützt und fördert und in der die Menschenwürde im Mittelpunkt steht. Und wir müssen bereit und in der Lage sein, kriegszerstörten Ländern wie der Ukraine beim Wiederaufbau ihrer Infrastruktur zu helfen. Darin liegt unser langfristiger Wert." (fp)