Jahrelang dominierten die USA mit ihren Tech-Giganten und der robusten Wirtschaft die Aktienmärkte. Doch Trumps protektionistische Politik und Stellenkürzungen in US-Behörden nähren Zweifel an der "amerikanischen Exzeptionalität". Europa profitiert.

Der Stoxx 600 legte im ersten Quartal dieses Jahres um rund 17 Prozentpunkte mehr zu als der S&P 500 – ein historischer Vorsprung. Zunächst lockten günstige Bewertungen europäischer Aktien, dann verbesserten die deutschen Haushaltspläne das Sentiment. "Wir haben lange darauf gewartet, dass sich die Stimmung ändert", sagt Daniel Nicholas aus dem Portfoliomanagement von Harris Associates. "Europäische Unternehmen waren falsch bewertet."

Anleger setzen auf Europa
Deutschlands Pläne für mehr Verteidigungs- und Infrastrukturinvestitionen veränderten das Investitionsumfeld. Fondsmanager bauten ihre Europa-Allokationen aus: Laut der Fondsmanager-Umfrage der Bank of America vom März waren 39 Prozent übergewichtet – der höchste Stand seit vier Jahren. Regionale Fonds verzeichneten 21 Milliarden US-Dollar an Zuflüssen. Besonders gefragt waren zuletzt deutsche Vermögenswerte. Der Dax legte 2025 bislang um 13 Prozent zu. Jean Boivin, Leiter des Blackrock Investment Institute, meint: "Die Rally kann noch eine Weile andauern."

Der Euro näherte sich der Marke von 1,10 Dollar. Ales Koutny von Vanguard hält sogar 1,20 Dollar bis Jahresende für realistisch. Parallel steigen die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen: Aviva und BNP Paribas sehen vier Prozent als möglich an – ein Niveau wie zuletzt 2008.

Trumps Politik bleibt jedoch ein Unsicherheitsfaktor. Die US-Aktienindizes S&P 500 und Nasdaq rutschten in eine technische Korrektur. KI-Aktien schwächelten. Europa dagegen profitierte von der Marktrotation und entging dem Abwärtsdruck bis zuletzt weitgehend. "Wenn Investoren sich vom Trump-Risiko diversifizieren wollen, ist Europa einer der Hauptnutznießer", argumentiert Daniel Murray, stellvertretender Chief Investment Officer bei EFG Asset Management. Er glaubt: "Das kann weiterlaufen."

Die Outperformance führt zu angehobenen Prognosen für den Stoxx 600. Großer Profiteur ist die Rüstungsindustrie. Rheinmetall & Co. verzeichnen starke Zuwächse. Ein Goldman-Sachs-Korb mit Titeln dieses Sektors legte 2025 bislang um 72 Prozent zu. Auch die Aussicht auf Modernisierung und Wiederaufbau treiben die Kurse. Goldman Sachs sieht unter anderem Chancen in den Branchen Elektrotechnik und Industrie und bei Versorgern. Der MDax legte ebenfalls deutlich zu.

Trotz Rally profitieren nicht alle: Auto- und Gesundheitssektor hinken hinterher. Der eines Tages anstehende Ukraine-Wiederaufbau dürfte laut Ariane Hayate, Fondsmanagerin bei Edmond de Rothschild Asset Management, nur langsam Gewinne bringen: "Der Anstieg ist vermutlich nur ein Strohfeuer."

Langfristig braucht Europa Strukturreformen. Eine gemeinsame Fiskalpolitik fehle, ebenso die Kapitalmarkttiefe, bemängeln Finanzmarktakteure. Blackrock warnt: Schon zwei bis fünf Prozent globaler Umschichtungen könnten Liquiditätsprobleme auslösen.

Ausblick mit Vorbehalt
Genannt werden weitere Risiken, etwa Handelskonflikte mit den USA, Chinas schwächelnde Konjunktur und Konkurrenz bei E-Mobilität. Zudem könnten steigende Anleiherenditen die Fiskalpolitik verteuern. 

Dennoch herrscht Optimismus: "In über 30 Jahren in den Finanzmärkten habe ich selten eine so plötzliche Welle des Euro-Optimismus erlebt", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg. "Ist diese Euphorie gerechtfertigt? Ja und ja – aber nicht in jeder Hinsicht. Der positivere Ausblick für Europa ist gerechtfertigt. Aber wie so oft könnte der plötzliche Stimmungswechsel in manchen Bereichen ein wenig übertrieben sein." (mb/Bloomberg)