Goldman Sachs: Ohne deutsche Reformen keine Aktienrally in Europa
Goldman-Sachs-Strategen sehen Europas Aktienrally gefährdet. Ohne die Umsetzung von Haushaltsreformen und Investitionsprogrammen in Deutschland drohen Anleger das Vertrauen zu verlieren. Investoren setzen verstärkt auf die USA – KI-Boom und Zinssenkungsfantasie treiben die Wall Street.
Im ersten Quartal hatte der Stoxx-600-Index – in Dollar gerechnet – US-Aktien so deutlich übertroffen wie nie zuvor. Auslöser war das deutsche Versprechen, Hunderte Milliarden Euro in Verteidigung und Infrastruktur zu investieren – ein Bruch mit der bisherigen Schuldenbremse.
In den vergangenen Wochen verlor der Index jedoch wieder an Boden. Anleger setzten stärker auf US-Werte, gestützt von robustem Wachstum, der Aussicht auf Zinssenkungen durch die Federal Reserve und der anhaltenden Euphorie um künstliche Intelligenz. Der S&P 500 kletterte seit Jahresbeginn um zwölf Prozent auf Rekordhöhen, während der Stoxx 600 mit einem Plus von 8,6 Prozent unter seinem März-Hoch blieb.

Investoren wenden sich ab
Eine aktuelle Umfrage der Bank of America zeigt: Fondsmanager reduzierten im September ihr Engagement in europäischen Aktien. Rückgänge von mehr als fünf Prozent erwartete jedoch keiner der Befragten.
"Europa ist ans Ende der Einkaufsliste gerückt, weil so viele andere Regionen deutlich mehr Schwung zeigen", sagte Goldman-Sachs-Stratege Christian Mueller-Glissmann im Gespräch mit "Bloomberg".
Skepsis trotz Sicherheitsanker
Sharon Bell, ebenfalls Strategin bei Goldman Sachs, erklärte: "Alle sind ziemlich skeptisch, ob Europa das Geld wirklich ausgeben wird. Es gibt das Gefühl: Ich will es tatsächlich sehen, statt nur zu hören, dass es passieren wird."
Die beiden betonen jedoch, dass das deutsche Ausgabenprogramm zumindest eine Art Sicherheitsanker darstellt. Es mache Investoren "weniger besorgt über extreme Abwärtsszenarien" in Europa.
Milliardenpläne aus Berlin
Deutschland plant Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe – für Straßen, Brücken und die Bundeswehr. Kritiker fragen sich allerdings, wann diese Ausgaben tatsächlich in Unternehmensgewinnen sichtbar werden. Zudem warnen manche, dass ein Teil der Mittel lediglich Haushaltslöcher der Länder stopfen könnte.
"Ich höre viele Kunden sagen, dass die Chance auf Negativzinsen in Europa im nächsten Jahrzehnt sehr, sehr gering ist – was gut für Banken ist", erklärte Mueller-Glissmann. Zwar würden Anleger die fiskalische Unterstützung anerkennen, "aber sie sind nicht bereit, für das optimistische Szenario zu zahlen".
Vorsichtiger Optimismus
Bell rechnet dennoch mit einem Gewinnwachstum europäischer Unternehmen von vier Prozent im kommenden Jahr und sechs Prozent im Jahr darauf – gestützt von einer besseren Konjunktur. Sie prognostiziert, dass der Stoxx 600 in den nächsten zwölf Monaten um rund fünf Prozent steigen wird.
"Wenn Europa drei Viertel seiner Versprechen erfüllt, würde ich sagen, dass sich der Markt sehr gut entwickeln wird", sagte Bell. (mb/Bloomberg)




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