Die unberechenbare Politik von US-Präsident Donald Trump ist aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht nur ein Risiko, sondern auch ein Hebel – "eine hervorragende Gelegenheit", um die globale Bedeutung des Euro zu stärken. Europa könne damit Privilegien für sich beanspruchen, die bislang den USA vorbehalten waren.

Wachstum durch Reform – nicht durch Wunschdenken
"Die laufenden Veränderungen schaffen die Voraussetzungen für einen 'globalen Euro-Moment'", sagte Lagarde am Montag (26.5.) in einer Rede in Berlin. "Dies ist eine hervorragende Gelegenheit für Europa, sein eigenes Schicksal besser in die Hand zu nehmen. Aber das ist kein Privileg, das uns einfach geschenkt wird. Wir müssen es uns verdienen."

Dazu zählt für sie die Überwindung wirtschaftlicher und struktureller Schwächen, die der EU seit Jahren im Weg stehen. Wer diese angeht, werde mit stabileren Zinsen, geringerem Währungsrisiko und größerer politischer Unabhängigkeit belohnt.

Der Euro als echte Alternative
Lagarde erinnerte an historische Wendepunkte wie Richard Nixons Abkehr vom Goldstandard in den 1970er Jahren. Damals fehlte eine Alternative zum Dollar. Heute sei das anders – "eine weitere internationale Währung neben dem Dollar", sagte Lagarde über den Euro.

Obwohl die internationale Rolle des Euro laut EZB im Jahr 2023 "weitgehend stabil" blieb, sieht Lagarde neue Chancen für Wachstum – wenn Europa bereit ist, wirtschaftlich und politisch enger zusammenzurücken.

Drei Hebel für mehr Euro-Macht
Lagarde nannte drei zentrale Handlungsfelder:

  1. Geopolitische Glaubwürdigkeit:
    "Eine solide und glaubwürdige geopolitische Grundlage durch die Beibehaltung eines unerschütterlichen Bekenntnisses zum offenen Handel und dessen Untermauerung durch Sicherheitskapazitäten."
  2. Wirtschaftliche Integration:
    Sie forderte erneut die Vollendung des Binnenmarkts, weniger Bürokratie, Förderung von Unternehmensgründungen sowie eine echte Spar- und Investitionsunion.
  3. Gemeinsame Finanzierung öffentlicher Güter:
    "Die wirtschaftliche Logik sagt uns, dass öffentliche Güter gemeinsam finanziert werden müssen", so Lagarde. "Und diese gemeinsame Finanzierung könnte die Grundlage dafür bilden, dass Europa sein Angebot an sicheren Vermögenswerten schrittweise erhöht."

Vertrauen durch Stabilität
Die Zukunft des Euro hängt laut Lagarde auch von einer stabilen rechtlichen und institutionellen Architektur ab. Nur so könne Europa das Vertrauen internationaler Anleger langfristig sichern – eine Forderung, die auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel zuletzt in den Raum stellte. (mb/Bloomberg)