Flossbach: Anstieg der Zinsen auf frühere Niveaus nicht vorstellbar
Bert Flossbach, der den Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch mitgründete und an der Universität Innsbruck promovierte, wirft in einem Interview angesichts rekordhoher Teuerungsraten und zugleich immenser Staatsverschuldung die Frage auf, wie viel Zins die Welt verträgt.
Die gewaltige Verschuldung vieler Staaten lässt sich langfristig nur finanzieren, wenn die Zinslast einigermaßen tragbar bleibt. "Deshalb ist ein Anstieg der Zinsen auf Niveaus, wie wir sie früher kannten, nicht vorstellbar", sagt Bert Flossbach, der Co-Gründer des Vermögensverwalters Flossbach von Storch, im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Dies bringe die Notenbanken in eine Zwickmühle. Denn einerseits dürfe die Zinslast nicht zu sehr steigen, andererseits müssten die Währungshüter die hohe Inflation bekämpfen. Immerhin seien sie der Geldwertstabilität verpflichtet.
Die hochverschuldeten Industriestaaten würden von der derzeitigen Entwicklung profitieren, solange der Zins unter der Inflationsrate bleibe. "Inflation könnte helfen, die Schulden deutlich zu reduzieren", erläutert der ehemalige Goldman-Sachs-Banker, der an der Universität Innsbruck promovierte. Die Frage laute deshalb: "Wie viel Zins verträgt die Welt?", so Flossbach.
"Das ist eine absolute Anmaßung"
Die Antwort sei keine höhere Mathematik. "Bei einem Zins von fünf Prozent und einer Staatsverschuldung von 150 Prozent muss ein Staat 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Zinszahlungen aufbringen, wenn sich der Zins auf diesem Niveau festsetzt – natürlich nicht am ersten Tag, aber mit der Zeit", führt der Vermögensverwalter aus. Das seien dann möglicherweise 30 Prozent der Staatseinnahmen. "Kein Staat kann das auf Dauer leisten. Wir reden hier ja nur über die Zinszahlungen, nicht über die Tilgung", folgert Flossbach.
Die Notenbanken könnten angesichts der Lage nur hoffen, dass sich einige der Faktoren, die momentan auf die Inflation wirken, möglichst bald verflüchtigen oder zumindest abschwächen und dass sich etwa das Problem mit den Lieferengpässen löse, so der Fondsmanager. Gleichwohl werde die Teuerungsrate nicht auf die Zielgröße von zwei Prozent sinken, sondern "bestenfalls auf drei oder vier Prozent", betont Flossbach. "Umso witziger muten die Inflationsprognosen der EZB an, auf das Zehntel genau und über mehrere Jahre. Das ist eine absolute Anmaßung", wettert der Investmentprofi.
"Ein hohes Maß an Fragmentierung"
Insbesondere die europäische Notenbank sieht Flossbach in einer Zwickmühle. "Anders als die Fed macht sie Geldpolitik für viele Volkswirtschaften", so der Vermögensverwalter. "Sie muss eine Währungsunion zusammenhalten mit Ländern, die unterschiedliche Bonitäten und auseinanderlaufende Staatsanleihenrenditen haben." Zwischen Italien und Deutschland gebe es mittlerweile wieder einen Renditeaufschlag von mehr als zwei Prozentpunkten. "Das ist schon ein hohes Maß an Fragmentierung, vor der die EZB immer gewarnt hat", sagt Flossbach." (ert)