Fehlende EU-Einlagensicherung: FMA warnt vor nationaler Überlastung
FMA-Vorstand Helmut Ettl kritisiert scharf das Fehlen einer EU-weiten Einlagensicherung. "Das passt nicht", so Ettl bei einer Präsentation mit Co-Vorstand Eduard Müller. Beide verteidigten dort auch die neuen Kreditregeln und sprachen sich gegen eine Verordnung für "grüne Mindeststandards" aus.
Die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA bleibt trotz guter Signale aus dem Markt vorsichtig. Sowohl bei der Dividendenpolitik als auch bei der Kreditvergabe erwartet sich die Behörde Disziplin von den Banken. Das machten die Vorstände Eduard Müller und Helmut Ettl bei der Präsentation des Jahresberichts 2021 deutlich.
Den Banken gehe es zwar mit einem Ergebnis von 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2021 besser als vor der Covid-Pandemie (6,7 Milliarden Euro im Jahr 2019), doch: "wir werden Covid-19 noch einige Zeit spüren", so Ettl. Man werde das Anziehen der Insolvenzen nach dem Auslaufen der staatlichen Pandemie-Förderungen beobachten und insbesondere darauf achten, "dass es nicht zu einer Abschmelzen von Kernkapital kommt". Bei der Ausschüttungspolitik verlangt die FMA von den Banken weiter "Besonnenheit". "Hätten wir nicht das Dividendenverbot während der Pandemie verhängt, wären die Auswirkungen auf den Bankensektor sicher stärker gewesen", so Ettl.
Neue Vergaberegeln für Wohnkredite verteidigt
Dementsprechend verteidigte das Vorstandsduo auch die Verschärfung der Kriterien für die Wohnkreditvergabe, die am 1. Juli 2022 in Kraft tritt und wies die Kritik zurück, dass Finanzierungen dadurch unnötig erschwert würden. Aufgabe der FMA sei es, eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität zu verhindern. Es falle in den Zuständigkeitsbereich der Politik, die Bedingungen für leistbares Wohnen zu verbessern. "Auslöser der Subprimekrise in den USA war, zu glauben, über günstige Kredite könne man Sozialpolitik machen", so Ettls Erinnerungs-Appell an das Jahr 2007.
Ob aufgrund der neuen Kriterien (Eigenkapital mindestens 20 Prozent, monatliche Kreditrate höchstens 40 Prozent des Einkommens, Laufzeit nicht über 35 Jahre, etc.) tatsächlich weniger Antragsteller einen Kredit bekommen, könne erst nach Vorliegen erster Zahlen seriös beurteilt werden. "Sehr wahrscheinlich wird es so sein, dass in den Verhandlungen mit den Banken Sicherheiten mobilisiert werden, die vorher nicht zum Einsatz kamen, weil es keine Notwendigkeit gab", so Ettl.
Keine eigene Mindest-Verordnung für grüne Finanzprodukte
Beobachten wollen die FMA-Vorstände auch den rasant wachsenden Markt grüner Finanzprodukte. Gegen Greenwashing werde man einschreiten. Eine Verordnung, die genau definiert, ab wann ein Finanzprodukt, etwa ein Fonds, wirklich grün ist, werde es von der FMA jedoch nicht geben, sagte Müller.
Einen Entwurf für eine solche Verordnung hat zum Beispiel die deutsche Aufsicht Bafin im Sommer vergangenen Jahres präsentiert. Er sieht unter anderem eine 75-prozentige nachhaltige Mindestinvestitionsquote vor – ein Produkt, das diese Schwelle unterschreitet, darf nicht als grün beworben werden. Durch nationale Alleingänge entstehe ein unnötiger regulatorischer Wettbewerb, kritisiert Müller. Es sei sinnvoller, auf die Ausarbeitung der EU-weiten Vorgaben zu warten. "Wir sollten in Europa im Gleichklang vorgehen", so Müller. Kollege Ettl sieht ebenfalls keine Notwendigkeit für neue Verordnungen. "Wir haben bereits im Leitfaden zu den Nachhaltigkeitsrisiken aus dem Jahr 2020 erklärt, was wir uns erwarten", sagte er.
Kritik an fehlender EU-Einlagensicherung
Anlässlich des kürzlichen Aus der Wiener Sberbank Europe AG übte Ettl scharfe Kritik an der lückenhaften europäischen Bankenunion. Dass Bankdienstleistungen europaweit angeboten werden dürfen, dann aber das Sitzland allein die Entschädigungen in anderen Ländern stemmen muss, ist aus Sicht der Aufsicht kein Idealzustand. "Die Einlagensicherung in Österreich hat einwandfrei funktioniert. Der Fall der Sberbank hat uns aber auch gezeigt, dass es zu einer Überlastung des nationalen Systems kommen kann. Daher passt das nicht".
Es sei nicht nachvollziehbar, dass Europa zwar die Bankenaufsicht und den Abwicklungsrahmen gemeinsam regelt, dann aber die nötige dritte Säule für einen einheitlichen Markt nicht schafft – nämlich das Sicherungsnetz, falls es zu einem Ausfall kommt. "Als Aufsicht können wir nicht verstehen, dass die Einlagensicherung des Sitzlandes zahlen muss, wenn eine von der EZB direkt beaufsichtigte Bank pleite geht, deren Kunden sich fast ausschließlich in einem anderen Land befinden", so Ettl, der damit auf die Sberbank verweist.
"ESA erhält alles zurück, samt Zinsen"
Die in Wien angesiedelte Sberbank Europe AG, die unter direkter EZB-Aufsicht stand, bekam infolge der Russlandsanktionen Liquiditätsprobleme und musste im März auf Befehl der Europäischen Zentralbank (EZB) und der FMA das Geschäft einstellen. Alle 35.000 Kunden – fast ausschließlich deutsche Einleger – wurden von der österreichischen Einlagensicherung (ESA) mit 926 Millionen Euro entschädigt. Anfang Mai wurde bekannt, dass die Vermögenswerte der Sberbank verwertet werden können und es nicht zu einer Insolvenz kommt. "Die Einlagensicherung hat ihr gesamtes Geld bereits vollständig und samt Zinsen zurückerhalten", betonte Müller.
Co-Vorstand Ettl kann sich mehrere Modelle eines europäischen Sicherungsnetzes vorstellen. Denkbar wäre als erster Schritt, dass die nationalen Sicherungen bleiben, aber ein gegenseitiges Kreditsystem geschaffen wird. Eine andere Option wäre es, den Banken einen Zusammenschluss zur Einlagensicherung freizustellen.
20 Jahre FMA
Die FMA feiert heuer ihr 20-jähriges Bestehen. In den zwei Jahrzehnten seit ihrer Gründung habe die Behörde einen enormen Kompetenzzuwachs verzeichnet, betonten die Vorstände. Im Jahr 2002 war die FMA für den Vollzug von 16 Gesetzen zuständig. Derzeit sind es laut den Angaben 38. Die Zahl der Vor-Ort-Maßnahmen ist von 43 auf 194 gestiegen. Mengenmäßig ist übrigens der Aufsichtsbereich "Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleister" der drittgrößte mit 34 "Hausbesuchen". Davor kommen noch der Bereich Geldwäsche (48) und die Aufsichtssektion Banken (56). Bei Investmentfonds gab es 20 Visiten, bei Versicherungen 27.
FMA-Vorstand Ettl, dessen Vertrag 2023 ausläuft, betonte, er werde sich für eine neue Amtszeit bewerben. "Ich habe noch viele Ideen", so Ettl vor Journalisten. (eml)