EZB-Direktorin: Nur begrenzter Spielraum für weitere Lockerung
Die Europäische Zentralbank sollte sich laut Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vor einer zu starken Senkung der Zinsen in Acht nehmen, da sich diese bereits einem Niveau nähern, das die Wirtschaft nicht mehr bremst.
Die Währungshüter können die Geldpolitik weiter lockern, sollten dies aber nur schrittweise tun, um zu vermeiden, dass die Zinsen unter das neutrale Niveau sinken, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel in einem Interview. Eine zu starke Lockerung könnte wertvollen geldpolitischen Spielraum vergeuden, warnte Schnabel, die zu den Falken im EZB-Rat zählt.
"Angesichts der Inflationsaussichten denke ich, dass wir uns allmählich auf die neutrale Schwelle zubewegen können, wenn die eingehenden Daten weiterhin unsere Grundannahmen bestätigen", sagte Schnabel in ihrem Frankfurter Büro. "Ich würde davor warnen, zu weit zu gehen, das heißt in akkommodierendes Gebiet."
Sie schätzt das neutrale Niveau, das sich nicht genau messen lässt, auf zwei bis drei Prozent – höher als Währungshüter wie der Grieche Yannis Stournaras und der Portugiese Mario Centeno meinen. Die Südeuropäer gehören zu den Tauben im EZB-Rat. Da der Einlagensatz nach den bisherigen drei Senkungen um jeweils einen Viertelpunkt in diesem Jahr nun bei 3,25 Prozent liegt, "sind wir vielleicht gar nicht mehr so weit" von diesem Niveau entfernt, so Schnabel.
Diskussionen über Tempo der Lockerung
Diese Äußerungen sind Teil einer zunehmend lebhaften Debatte darüber, wie die EZB auf die sich verschlechternde Wirtschaftslage im Euroraum und eine Inflation reagieren soll, die sich schneller als erwartet dem Zielwert von zwei Prozent nähert, hier und da aber weiter Anlass zur Sorge gibt.
Die Diskussionen über das Tempo der Lockerung der Geldpolitik werden immer hitziger, was durch die erhöhte globale Unsicherheit – insbesondere durch die Handelszölle, die wahrscheinlich mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus einhergehen werden – noch komplizierter wird.
Spekulationen über Halbpunkt-Reduzierung
Der Markt geht davon aus, dass die Zinssätze im nächsten Jahr auf etwa 1,75 Prozent fallen werden, was, wie Schnabel einräumte, im Widerspruch zu ihrer eigenen Einschätzung steht. Von "Bloomberg" befragte Ökonomen sehen sie in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 auf zwei Prozent sinken.
"Die Märkte scheinen davon auszugehen, dass wir in den akkommodierenden Bereich gehen müssen", sagte sie. "Aus heutiger Sicht halte ich das nicht für angemessen." Sie wies auch Spekulationen von Anlegern über eine Halbpunkt-Reduzierung der Zinsen zurück und sagte, sie habe "eine starke Präferenz für einen graduellen Ansatz". (mb/Bloomberg)