Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich für die Gründung einer gesamteuropäischen Börse ausgesprochen. Ziel sei es, Unternehmen in Europa besser gegen Konkurrenz aus den USA und Asien zu positionieren und schnelleren Zugang zu Kapital zu ermöglichen.

"Unsere Unternehmen brauchen einen ausreichend breiten und tiefen Kapitalmarkt, damit sie sich besser und vor allem schneller finanzieren können", sagte der CDU-Chef am Donnerstag (16.10.) in einer Regierungserklärung im Bundestag vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche.

Kapitalmarktintegration als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit
Merz verwies auf die Berichte der ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und Enrico Letta, die eine wachsende Produktivitätslücke zwischen Europa und anderen Wirtschaftszentren diagnostiziert hatten.

Er kritisierte zudem, dass europäische Vorzeigeunternehmen wie Biontech ihre Börsennotierung in New York und nicht in Europa vorgenommen hätten. Europa müsse seine Kapitalmärkte bündeln, um Wachstum, Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

"Eigenständige Wirtschaftsmacht oder Spielball der Großen"
Für die Zukunft Deutschlands und Europas sei es entscheidend, diese Herausforderungen mit Entschlossenheit anzugehen, betonte der Kanzler: "Es ist deshalb so entscheidend für die Zukunft unseres Landes und der Länder in Europa, weil in diesen Wochen, Monaten und vielleicht wenigen Jahren entschieden wird, ob Europa eine eigenständige Wirtschaftsmacht in der Weltwirtschaft bleibt oder ob wir zum Spielball von großen Wirtschaftszentren etwa in Asien oder in Amerika werden."

Zersplitterte Börsenlandschaft als Wachstumsbremse
Die zersplitterte Struktur der europäischen Börsenlandschaft gilt seit Jahren als Hindernis für Innovation und Wachstum – insbesondere im Technologiesektor, wo Firmen im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern schwieriger Zugang zu Kapital finden.

Eine gemeinsame europäische Börse könnte diese Fragmentierung überwinden und Skaleneffekte schaffen, die Investoren anziehen und Finanzierung erleichtern.

Merz setzt auf Reformen und Bürokratieabbau
Seit seinem Amtsantritt im Mai hat Merz mehrere Reforminitiativen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit angekündigt – darunter mehr Investitionen, weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren.

Er rief zudem dazu auf, dass die EU ihre wirtschaftspolitischen Bemühungen beschleunigt, um gegenüber den USA und Asien nicht weiter an Boden zu verlieren.

"Schluss mit der Regulierungswut"
Die beiden früheren italienischen Ministerpräsidenten – Ex-EZB-Chef Mario Draghi und Enrico Letta – hatten gewarnt, dass die EU den Anschluss an die dynamische Weltwirtschaft verliere. "Draghi war da sehr deutlich und Letta argumentiert in vielen Punkten in die gleiche Richtung", sagte Merz.

Und weiter: "Europa wird nur produktiver, wenn es sich grundlegend ändert. Und ich will die Stichworte nennen: Schluss mit der Regulierungswut, schnellere Verfahren, offene Märkte, mehr Innovation und mehr Wettbewerb." (mb/Bloomberg)