Gründerzeit-Zinshäuser sind ein Kulturgut der Wiener Immobilienlandschaft – von der Liquiditätskrise der vergangenen Jahre blieb dieser Sachwerte-Klassiker dennoch nicht verschont. Im Jahr 2023 brach die Zahl der Transaktionen um gut 50 Prozent ein und das Wertvolumen um knapp 60 Prozent. Der Abwärtssog scheint aber nun gestoppt: 122 Transaktionen von Gründerzeit-Zinshäusern gab es im ersten Halbjahr 2024, wobei das Wertvolumen bei 367 Millionen Euro lag. Das ist ein ähnlich hohes Niveau wie im Vorjahreszeitraum (1. HJ 2023: 366 Millionen Euro). Das zeigen die aktuellen Zahlen aus dem jährlichen Zinshaus-Marktbericht des Beratungs- und Serviceunternehmens Otto Immobilien.

Eine pauschale Stabilisierung ist zwar nicht zu beobachten, aber gute Signale: In 14 Bezirken habe das Transaktionsvolumen heuer sogar zugenommen, berichten die Experten von Otto Immobilien. Besonders stark in den Bezirken drei, sechs, 14, 15, 17 und 18 mit mindestens einer Verdopplung. Dem gegenüber steht aber auch eine denkwürdige Flaute in der Innenstadt: Im ersten Bezirk wurde erstmals seit dem Start der Otto-Analysen kein Zinshaus verkauft. 

Preisschere
Bei den Preisen öffnete sich im ersten Halbjahr eine weite Schere: Während die Mindestpreise in einigen Bezirken weiterhin sinken – am stärksten im zweiten Bezirk mit zwölf Prozent – ist bei den Maximalpreisen in zentralen Bezirken ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Der Durchschnittspreis liegt mit 3.266 Euro pro Quadratmeter mittlerweile wieder auf dem Niveau von 2020.

Die Talsohle beim Preisverfall scheine erreicht, heißt es. Man registriere eine Rückkehr von eigenkapitalstarken Investoren, die sanierte, gut vermietete, ästhetische Häuser bevorzugen und vor allem auf gute Renditen Wert legen. "Wir beobachten eine leichte Erholung, die uns optimistisch stimmt. Investoren zeigen verstärktes Interesse an langfristigen Investitionsmöglichkeiten in guten Lagen", so Philipp Maisel, Leiter des Zinshaus-Teams.

Schrumpfender Markt – Häuser verschwinden
In den vergangenen 15 Jahren gab es kumuliert 10.841 Transaktionen mit einem Volumen von 21,6 Milliarden Euro. Generell handelt es sich um einen schrumpfenden Markt. Seit dem Beginn der Otto-Marktanalyse im Jahr 2009 sind 2.034 Gebäude verschwunden, was einem Rückgang von etwa 13 Prozent entspricht. Auch 2024 ging der Bestand wieder zurück. Hauptgrund für diese Entwicklung ist die Umwandlung in Wohnungseigentum sowie die Umnutzung, beispielsweise in Hotels.

Der Markt hat mehrere Krisenjahre hinter sich. "Viele Zinshaus-Entwickler sehen sich mit kumulierten Ankaufs- und Projektierungskosten konfrontiert, die einen Verkauf zu aktuellen Marktwerten erschweren", wie es heißt. Banken, die während der Boomphase Kredite unter optimistischen Annahmen vergeben haben, müssten nun entscheiden, ob sie Immobilien auf ihre Bücher nehmen, zwangsversteigern oder auf eine Markterholung warten sollen. Ein neues Phänomen zeige sich: Immer öfter nehmen finanzierende Banken die Verwertung selbst in die Hand, um Projekte voranzutreiben.

Die über zehn Jahre andauernde Spekulationsphase, die den Markt der Wiener Zinshäuser in der Zeit der Nullzinspolitik geprägt hat, dürfte endgültig in sich zusammengefallen sein. "Viele kurzfristig orientierte Investoren, die auf schnelle Gewinne setzten, ziehen sich aus dem Markt zurück. Stattdessen kehrt das Zinshaus zu seiner Rolle als langfristige, wertstabile Investition zurück – ein Kulturgut, das das Wiener Stadtbild seit über 175 Jahren prägt", teilen die Otto-Experten mit. (eml)