Die Kursentwicklung einzelner Branchen im europäischen Aktienmarkt im bisherigen Jahresverlauf ist "auf den ersten Blick verwirrend", meinen die Analysten der französischen Fondsgesellschaft Mandarine Gestion in einem Marktkommentar. So finden sich auf der Performance-Bestenliste für das Jahr 2025 Banken mit 35 und Versicherungen mit 23 Prozent Zugewinn ganz oben. Dann folgen Versorger mit 20 Prozent sowie Telekommunikation mit 18 Prozent Plus. Dichtauf liegen Bau und Industrie mit 17 und 16 Prozent.

"Da Anleger rational handeln, stellt sich die Frage, wie es zu erklären ist, dass so unterschiedliche Sektoren eine ähnliche relative Performance aufweisen", kommentieren die Analysten diese Entwicklung. Denn Banken und Versicherungen würden eine hohe Abhängigkeit von der Zinsentwicklung und insbesondere die Kreditvergabe der Banken von der Konjunktur aufweisen.

Ruf erworben
Demgegenüber gelten Versorger und Telekommunikation als Wirtschaftszweige, die sich von einer Wirtschaftsschwäche weniger beeindruckt zeigen und daher den Ruf defensiver Sektoren erworben haben. Bei Bau und Industrie wiederum handelt es sich um stark vom Konjunkturverlauf abhängige Branchen. "Diese beiden Sektoren gehören zu den zyklischsten der Börsen", meinen die Analysten von Mandarine Gestion.

Als Grund für diese zunächst überraschend wirkende Entwicklung verweisen die Experten auf einen anderen grundlegenden Trend, und zwar die deutlich gewachsene Attraktivität europäischer Titel gegenüber US-Aktien. Europa und insbesondere Deutschland billigen die Ökonomen zu, dass sich eine positive Konjunkturdynamik entfalten könnte. Für die USA hingegen sinken die Wachstumsprognosen, der US-Dollar wird schwächer. Hinzu kommen die Zoll-Drohungen von US-Präsident Donald Trump.

Heimatverbunden
Dieses Gesamtbild führe dazu, dass europäische Unternehmen mit einem starken Binnengeschäft deutlich besser abschneiden als jene mit US-Fokus, argumentieren die Analysten. Dies treffe auf viele Unternehmen der gut gelaufenen Branchen zu. Lediglich der Industrie-Sektor will hier zunächst nicht ins Bild passen.

"Andererseits sind in diesem Sektor auch die Akteure des Verteidigungssektors zu finden, die sowohl von den stark steigenden Militärausgaben in Deutschland als auch im übrigen Europa profitieren dürften", meinen die Mandarine-Analysten. Das Gewicht dieser Werte innerhalb der Börsenbarometer sei zwar nicht signifikant. "Aber ihre Performance war so gut, dass allein dieses Dutzend Werte zwei Drittel der diesjährigen Performance des Industriesektors an der Börse erklärt", so die Experten.

Schein-Paradoxon
"Wie man sieht, ist das Paradoxon nur scheinbar und die Sektorhierarchie folgt letztlich der gleichen Logik, die die europäischen Aktienmärkte dazu veranlasst hat, eine bessere Performance als die nordamerikanischen Börsen zu zeigen, und die Anleger dazu, ihre Investitionen in diesem Jahr nach Europa umzuleiten", führen die Analysten aus. Sie betonen aber auch: "Es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig diese Bewegung ist, die notwendigerweise von der Aufrechterhaltung einer guten Gewinndynamik abhängt." (ert)