"Debasement Trade": Warum Anleger auf Gold statt Anleihen setzen
Explodierende Staatsschulden, politische Risiken und Zweifel an Zentralbanken erschüttern das Vertrauen in klassische sichere Häfen. Anleger flüchten in Gold und Kryptowährungen. Ein neuer Trend entsteht: der "Debasement Trade".
Unter der Oberfläche kurzfristiger Marktschwankungen scheint sich ein Phänomen zu formieren, das die Finanzmärkte langfristig verändern könnte. Anleger ziehen Kapital aus Staatsanleihen ab – und suchen Schutz vor der schleichenden Entwertung des Geldes. Der "Debasement Trade", also das Meiden klassischer Staatsanleihen und Fiatwährungen, gewinnt an Dynamik.
Investoren zweifeln daran, dass Regierungen ihre Schuldenlast jemals konsequent abbauen – und befürchten stattdessen eine Geldentwertung durch niedrige Zinsen und anhaltende Geldschöpfung.
Der Begriff "Debasement", übersetzt: "Entwertung", erinnert an Zeiten, in denen Herrscher ihre Gold- und Silbermünzen durch Beimischung billigerer Metalle – etwa Kupfer – entwerteten.
Politische Risiken und Vertrauensverlust
Auslöser sind wachsende politische und fiskalische Risiken. In Japan gerieten Yen und Staatsanleihen unter Druck, als die wirtschaftspolitisch expansive Sanae Takaichi Kurs auf das Amt der Premierministerin nahm. In Frankreich verunsichern Haushaltskrisen die Finanzmärkte. In Großbritannien wirkt der Vertrauensverlust nach dem "Truss-Crash" von 2022 nach.
Selbst der Dollar gilt nicht mehr uneingeschränkt als sicherer Hafen. Nach massiven Steuersenkungen und einer Eskalation im Handelsstreit unter US-Präsident Donald Trump steckte der Greenback im Jahresverlauf im tiefsten Abwärtstrend seit den 1970er Jahren. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Federal Reserve haben Zweifel am Status von US-Staatsanleihen als global führende risikofreie Anlage genährt.
Gold glänzt wie nie
Parallel dazu erleben alternative Anlagen eine Renaissance: Gold stieg seit Jahresbeginn um mehr als 50 Prozent und erreichte mit über 4.000 US-Dollar je Unze ein Rekordhoch. Auch Silber markierte ein Allzeithoch. Kryptowährungen wie Bitcoin legten zeitweise über 20 Prozent zu.
Eurizon SLJ Capital spricht von einer "Sucht nach Schuldenfinanzierung", ausgelöst durch die Nullzins-Jahre nach Finanzkrise und Pandemie. Sollte die Entdollarisierung anhalten, könne der Goldpreis weiter explodieren – "auf bis zu 8.500 Dollar je Unze", so Eurizon.

Alberto Gallo von Andromeda Capital Management warnt vor einem beschleunigten Prozess der Geldentwertung. "Für Politiker ist es einfacher, Schulden zu entwerten, als Wachstum zu schaffen oder zu sparen", so Gallo. "Das Endergebnis dürfte eine tief verwurzelte Inflation und eine weitere Abwertung des Fiatgelds sein."
In den USA steht das Staatsdefizit bereits bei fast zwei Billionen Dollar. Das Government Accountability Office warnt, dass die Schulden bis 2050 fast doppelt so groß sein könnten wie das BIP. Gleichzeitig drängt Präsident Trump die Fed, die Zinsen zu senken – ein direkter Angriff auf deren Unabhängigkeit.
"Debasement Trade hat noch Luft nach oben"
"US-Staatsanleihen sind einfach nicht mehr die unantastbaren sicheren Häfen, als die sie einst galten", sagt Stephen Miller, früherer Fixed-Income-Chef bei Blackrock Australien. "Der Debasement Trade hat noch Luft nach oben."
Prominente Investoren wie Ray Dalio und Ken Griffin sehen Gold inzwischen als sicherer an als den Dollar. Auch der Canada Pension Plan Investment Board äußerte zuletzt Bedenken, dass US-Treasuries ihren Status als sicherer Hafen verlieren könnten.

Trotz aller Diskussionen bleibt das Fundament des globalen Finanzsystems bisher erhalten: Dollar, Euro und Yen dominieren weiterhin den Zahlungsverkehr und bilden die Grundlage für tägliche Transaktionen in Billionenhöhe. Staatsanleihen dienen als Sicherheit und Stabilisator für Finanzinstitutionen weltweit.
Auch der US-Aktienmarkt widerspricht der "Debasement"-Logik: Seine Stärke zwingt ausländische Investoren, Dollar zu kaufen. Und trotz politischer Risiken haben sie ihre Bestände an US-Staatsanleihen zuletzt sogar ausgebaut.
Strategen warnen vor Übertreibungen
"Wer glaubt, dass Währungen und Anleihen durch Bitcoin und Gold ersetzt werden können, muss sich der Realität stellen", sagt Shoki Omori von Mizuho Securities. Er sieht derzeit eher einen "Momentum-Trade" – also kurzfristige Herdenbewegungen – als fundamentalen Wandel.
Auch Mark Cudmore, Executive Editor bei "Bloomberg Markets Live", mahnt zur Vorsicht: "Debasement schien eine ziemlich rationale Beschreibung für die außergewöhnlichen Marktbewegungen der letzten Monate zu sein. Aber jetzt, da wir einen schönen Namen für das Handelsregime haben, ist das vielleicht ein Zeichen dafür, dass alle zu sehr in eine Richtung tendieren und wir mit Volatilität und einem Shake-Out rechnen müssen."
Es gibt jedoch auch gute Gründe, warum Investoren die Debatte über "Debasement" führen, selbst wenn diese letztlich eher akademisch bleibt – und den Status quo der Märkte nicht grundlegend verändert. (mb/Bloomberg)
















