"Das Museum erwacht zum Leben": Europas Finanzmärkte auf dem Vormarsch
Die lange Zeit trägen europäischen Finanzmärkte werden durch Donald Trumps Bestreben, den Welthandel und die Weltsicherheit neu zu ordnen, in Bewegung gebracht – nicht ohne Folgen für die jahrzehntelange Dominanz der USA.
Über alle Anlageklassen hinweg schlägt der alte Kontinent Amerika kollektiv in einer Weise, wie man es selten zuvor gesehen hat. Der Euro ist so stark wie seit drei Jahren nicht mehr. Deutsche Bundesanleihen haben US-Treasuries in der vergangenen Woche so stark übertroffen wie nie zuvor. Und obwohl europäische Aktien durch den Handelskrieg in Mitleidenschaft gezogen wurden, erweisen sie sich als weitaus widerstandsfähiger als amerikanische Aktien.
Die Veränderung im Vergleich zu vor nur sechs Monaten ist bemerkenswert. Ende 2024 schien es, als würden die europäischen Märkte für immer im Schatten der USA und ihres von Trump angefachten Exzeptionalismus stehen. Alles, worüber man reden wollte, waren die heißen KI-Aktien der USA, der steigende US-Dollar und eine bevorstehende Welle von Steuersenkungen und Deregulierung, die Amerika wieder groß machen würde.
"Es gibt dieses Gefühl, dass Europa nur ein Museum sei – nun, das Museum erwacht jetzt zum Leben", sagte Catherine Braganza, die europäische Hochzinsanleihen für die von ihr verwalteten Fonds bei Insight Investment in London kauft.
Anleger suchen nach Alternativen zu USA
Der Impuls kam aus mehreren Richtungen gleichzeitig. Die immer neuen Zölle und Steuervorhaben des US-Präsidenten zwangen die Anleger, sich zu fragen, ob US-Staatsanleihen und der Dollar noch immer der seit Jahrzehnten bewährte Zufluchtsort sein werden. Deutschland versprach Hunderte von Milliarden Euro an Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur, nachdem Trump deutlich gemacht hatte, dass die USA nicht länger der Hauptgarant für die europäische Sicherheit sein würden.
All dies deutet darauf hin, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Amerika, das Herzstück der globalen Finanzmärkte und des Handels, dem Rest der Welt Billionen von Dollar entlockte. Jetzt suchen die Anleger nach alternativen Anlagemöglichkeiten für ihr Geld – eine direkte Ablehnung von Trumps Politik und seinem unberechenbaren Regierungsstil.
Viele Big Player setzen auf Europa
Einige der namhaftesten Adressen der Finanzwelt setzen auf weitere Gewinne in Europa. Vanguard International bevorzugt kurzlaufende Anleihen im Euroraum, da die Europäische Zentralbank die Zinssätze senken könne. Goldman Sachs sieht den Euro auf 1,20 Dollar steigen, da die Attraktivität des Greenback nachlasse. Beata Manthey von der Citigroup, die im Oktober die Aktienrally in Europa vorausgesagt hatte, stufte in dieser Woche US-Aktien auf neutral herab, behielt aber ihre positiven Aussichten für Europa bei.
Freilich sind die Aussichten für Europa selbst komplizierter geworden. Trumps Zölle haben den Optimismus getrübt, der die Entscheidung Deutschlands im letzten Monat begleitete, eine Investitionsoffensive zu starten, die für ein dauerhaftes Wachstum im gesamten Euroraum von entscheidender Bedeutung ist. Und eine mögliche Rezession in den USA würde andere Volkswirtschaften mit in den Abgrund reißen – auch die der Europäischen Union, was die Währung und risikoreichere Anlagen belasten würde.
Aber die europäischen Märkte haben immer noch viele Vorteile, was ein Zeichen dafür ist, dass die langfristige Umschichtung von Geldern in die Region gerade erst begonnen hat. Für die Politiker und Zentralbanker des Kontinents ist der Zerfall des US-Exzeptionalismus eine erstklassige Gelegenheit für den Euro, sich als Reservewährung durchzusetzen und die langjährige Vorherrschaft des Dollar anzugreifen. (mb/Bloomberg)