Indem die Federal Reserve das Zinsniveau mithilfe ihrer Zinspolitik und der quantitativen Lockerungsprogramme auf nahezu null senkt, versuche sie, das US-Volk zum Geldausgeben zu bewegen, erklärt Bill Gross, Mitgründer und Managing Director des weltgrößten Anleihemanagers Pimco. "Das ist das, was man als finanzielle Repression bezeichnet." Die alles entscheidende Frage ist, wohin das Geld letztlich fließt. Wird das verfügbar gewordene Geld ausgegeben oder wird es investiert? 

"Wird es ausgegeben, so gelangt das Spiel an irgendeinem Punkt an sein Ende", so Gross. Zwar hätten die konsumierten Summen der Wirtschaft eine Atempause verschafft und ein wenig mehr Zeit, um die künftige Forschung und Entwicklung voranzutreiben, jedoch wäre dieser Zustand nicht von Dauer. "Wird das Geld investiert, und zwar auf produktive Art und Weise, könnte sich die alte Normalität schließlich wieder am Horizont abzeichnen, die Arbeitslosigkeit auf unter sechs Prozent senken und der Mittelklasse zu erneutem Wohlstand verhelfen."
 
Auf den ersten Blick scheint das Modell von Fed-Chef Ben Bernanke zu funktionieren und einen spürbaren Effekt auf die relative Investitionstätigkeit zu haben. Schließlich haben sich die Aktienkurse in gut drei Jahren nahezu verdoppelt, die Risikoaufschläge befinden sich auf historischen Tiefständen, und die Immobilienpreise steigen. Die folgenden Grafiken zeigen jedoch, dass sich in der Realwirtschaft nichts verändert hat: Die Unternehmensinvestitionen sind weiter rückläufig, die Haushalte konsumieren weiter und die nationale Nettoersparnis – also die Höhe der Ersparnis von Regierung, Haushalten und Unternehmen, die nach Abschreibung der bestehenden Kapitalanlagen noch übrig bleibt – sinkt auf den niedrigsten Wert seit der großen Depression.
 
Die neue Normalität in der Realwirtschaft
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Quelle: Pimco
 
Auch wenn all das geschaffene und verfügbar gewordene Geld die Vermögenspreise in die Höhe treibt, sehen die Unternehmen darin offenbar keinen Anlass, in die künftige Produktion zu investieren. "Wir leben in einer Welt der neuen Normalität, in der sich die geld- und fiskalpolitischen Entscheidungsträger kaum mit den negativen Folgen des Schuldenabbaus in der Privatwirtschaft auseinandersetzen. Wenn dem so ist, dürften die Renditen der US-Staatsanleihen niedrig bleiben. Der Aktienkult – oder noch besser, der Total-Return-Kult sowohl für Anleihen als auch für Aktien – ist vorüber. Das Zeitalter der finanziellen Repression dauert an", so das Fazit von Gross. (dw)