Geldanleger haben 2022 die "Todeszone" erreicht, in der die Luft gefährlich dünn ist. Dies schreibt der ehemalige Pimco-Manager und "Bond-König" Bill Gross in einem Blogbeitrag. Der Starmanager im Ruhestand spielt damit auf die Höhe von Bergen wie dem Mount Everest an, in denen Bergsteiger kaum mehr genug Sauerstoff in die Lungen bekommen. Egal ob Krypto-Assets oder konventionelle Anleihen und Aktien, das Risiko steigender Zinsen werde die künftigen Erträge deutlich schmälern, meint Gross, der den letzten Teil seiner Fondsmanager-Karriere bei Janus Henderson verbrachte.

"Die Anleger schienen am 1. Januar nicht zu bemerken, dass die Luft immer dünner wurde und dass ihre individuellen Bullenmärkte von Minute zu Minute erstickten", formuliert es Gross. "Aber viele von ihnen hatten die meiste Zeit ihres Anlagelebens einen Bullenmarkt durchlaufen und nie ernsthaft in Erwägung gezogen, dass die Dynamik in zwei Richtungen geht." Die Ausbreitung des Coronavirus, die Lockdowns in China sowie die Störung der Lieferketten sowie die russische Aggression gegen die Ukraine hätten den Finanzmärkten Tiefschläge zugefügt.

"Portfolios mit riesigen Mengen an Verlierern"
Harsche Kritik übt Gross an den Anhängern von Technologie-Investments, die in Finanz-Fernsehkanälen ihre Zukunftsvisionen verbreiten. "Die aktuelle Generation scheint ungebrochen optimistisch zu sein", beobachtet Gross. "Ihre optimistische Miene wechselt von momentumgetriebener Euphorie zu unerschütterlichem Vertrauen darauf, dass neue Technologien 'langfristig' unweigerlich zu Wohlstand oder neuen 'virtuellen' Gipfeln führen werden."

Dabei seien die Portfolios dieser Talkshow-Gäste mit "riesigen Mengen an Verlierern bestückt, die Hannibal Lecter zusammen mit einer Portion Ackerbohnen satt machen würden". Damit spielt Gross auf die Romane und die Verfilmung "Das Schweigen der Lämmer" über einen fiktiven Kannibalen-Serienmörder an.

"Hannibal Lecter würde sich freuen"
Besonders Cathie Wood nimmt der Rentenstar im Ruhestand ins Visier. Sie setzt mit ihrer Gesellschaft Ark Investments und über börsengehandelte Fonds auf disruptive Technologien, ringt aber mit Performance-Problemen. Wood sei nur ein flüchtiger Stern, dessen Strahlkraft nach zwei oder drei Jahren verblasse. Sie fokussiere sich zu stark auf den künftigen Wert einer Aktie und lasse die aktuelle Bewertung außer Acht. "Ihre derzeitigen Fans, so höre ich, bleiben ihr treu. Fein", ätzt Gross. "Hannibal Lecter würde sich über diese lautstarken Lämmer freuen, die nicht an Wert und Preis glauben." (ert)