Bei einem der größten Fondshäuser Europas wächst die Sorge, dass die USA ihren Status als attraktives Ziel für Investoren verlieren könnten. Hintergrund sind die Bemühungen der Republikaner, Gesetze zur Förderung wichtiger Industrien wie der Erneuerbare-Energien-Branche zu schwächen. "Für Investoren ist die Botschaft klar: Die USA bieten möglicherweise nicht mehr die zuverlässigen Investmentmöglichkeiten, die sie noch vor wenigen Monaten geboten haben", sagte Alex Bibani, Portfoliomanager bei Allianz Global Investors in London. Die Fondstochter der Allianz verwaltet ein Vermögen von rund 650 Milliarden Dollar (570 Milliarden Euro).

Die Entscheidung der Republikaner im Repräsentantenhaus, ein Steuergesetz zu verabschieden, das viele der im "Inflation Reduction Act" (IRA) von 2022 enthaltenen Anreize abschaffen würde, droht Anlagestrategien, die auf der Energiewende basieren, auszubremsen. Selbst wenn der Senat einige der Vorschläge des Repräsentantenhauses ablehne, müssten sich europäische Fondsmanager mit neuer Unsicherheit und Volatilität auseinandersetzen, so Bibani. Letztendlich könnten sie gezwungen sein, sich anderweitig umzusehen. Wenn nicht schnell wieder Klarheit herrsche, könnten sich Projekte und Kapitalflüsse "in Richtung stabilerer Rechtsräume wie Kanada oder die EU verlagern", so der Portfoliomanager.

"Erhebliche regulatorische und politische Risiken"
Die Kluft wächst zwischen Europa, wo Emissionsreduzierungen gesetzlich verankert sind, und den Vereinigten Staaten, wo die Trump-Regierung eine massive Offensive gegen Netto-Null-Strategien gestartet hat. Laut Aktienanalysten von Jefferies ist der von den Republikanern im Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetzentwurf für Investoren, die sich auf Strategien zur Energiewende festgelegt haben, sogar "schlimmer als befürchtet".

Sollte der Senat dem Gesetzentwurf zustimmen, würde die Aufhebung des IRA "eine drastische Kehrtwende in der amerikanischen Cleantech-Politik bedeuten", so Bibani. Dies würde "erhebliche regulatorische und politische Risiken" für den Markt mit sich bringen und die politische Sicherheit und finanzielle Visibilität untergraben, die die USA nach dem IRA zum weltweit führenden Standort für Cleantech-Investitionen gemacht hatten.

"Extreme Volatilität der US-Politik"
Die Feindseligkeit der USA gegenüber der Energiewende sorgt bei europäischen Investoren bereits für Unruhe. Europas größter Fondsmanager Amundi erklärte im vergangenen Monat, es gebe Anzeichen dafür, dass Investmentkunden ihre Portfolios "massiv umgeschichtet" hätten, um den US-Markt zu meiden. Sie hätten Bedenken hinsichtlich einer Vielzahl von Faktoren – von mangelnder Verantwortung bis hin zu einem Abbau wichtiger Klimaschutzmaßnahmen. Die UBS erklärte ebenfalls, man sei sich erheblicher Kapitalabflüsse aus US-Aktien-ETFs bewusst.

Tyler Christie, Chef von Decarbonization Partners, einem Joint Venture von Blackrock und Temasek, sagte, die Sorge sei nun, dass "die extreme Volatilität der US-Politik Unsicherheit schafft, die sich auf das gesamte Finanzsystem auswirkt". Gleichzeitig sei die europäische Politik "so einheitlich und berechenbar wie nie zuvor", da sie "existenzielle Herausforderungen in den Bereichen Energie, Sicherheit und Ressourcen" angehe. Das Ergebnis sei, dass Fondsmanager sowohl in Europa als auch in den USA beginnen, mehr Kapital in europäische Projekte zu lenken. Der "Vorschlaghammer", den die Republikaner im Repräsentantenhaus gegen den IRA geschwungen hätten, sei nur ein weiteres Beispiel für die neue Volatilität und Unsicherheit in der US-Politik, sagte Christie. (Bloomberg/fp)