Anlagestrategin: "Quantamental Investing" bietet Vorteile
Rein quantitativ investieren? Schwierig, denn die Modelle setzen auf Daten der Vergangenheit auf und können schlecht mit Disruption umgehen. Also nur auf die Intuition erfahrener Portfoliomanager verlassen? Ebenfalls keine gute Idee. Zum Glück lassen sich beide Ansätze verknüpfen.
In der Vermögensverwaltung ist die Kombination aus quantitativen und fundamentalen Ansätzen besonders vielversprechend, argumentiert Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management. Das "Quantamental Investing" nutze sowohl die Rechenkraft mathematischer Modelle und Algorithmen als auch das Urteilsvermögen erfahrener Analysten – und wolle damit die jeweiligen Schwächen der Einzeldisziplinen gezielt ausgleichen.
"Die Leistungsfähigkeit quantamentaler Strategien hat sich in der Vergangenheit gerade in schwierigen Marktphasen gezeigt", meint Sauer. Eine Analyse globaler Aktienfonds basierend auf Morningstar-Daten zeige, dass quantamentale Fonds in Krisenjahren wie 2008 oder 2011 im Mittel besser abgeschnitten hätten als rein quantitative oder fundamentale Ansätze. "Während viele Quant-Fonds 2008 zweistellige Verluste verzeichneten, lagen Quantamental-Strategien deutlich besser", berichtet Sauer. Die menschliche Prüfung wirke wie ein Sicherheitsfilter.
"Zehntausende Datenpunkte"
Quantitative Strategien seien objektiv, schnell und skalierbar, erläutert die Investmentstrategin. "Sie verarbeiten täglich Zehntausende Datenpunkte und identifizieren auf dieser Basis systematisch Aktien mit attraktiven Merkmalen – etwa im Hinblick auf Bewertung, Momentum, Qualität oder Analystenstimmung." Das ermögliche eine breite Abdeckung des Anlageuniversums und eine disziplinierte Umsetzung, die frei von Emotionen sei. Doch genau darin liege auch eine potenzielle Schwäche.
"Modelle basieren auf historischen Daten und setzen implizit voraus, dass die Zukunft der Vergangenheit ähnelt. In disruptiven Marktphasen – zum Beispiel während der Covid-Pandemie oder geopolitischer Krisen – funktioniert das oft nicht mehr", so Sauer. In solchen Situationen brauche es ein zusätzliches Lagebild, das Modelle nicht liefern könnten. "Das kann etwa eine Einschätzung zu einem Managementwechsel sein, zu einem regulatorischen Eingriff oder zu einem Reputationsrisiko. Solche Informationen sind schwer zu quantifizieren, aber entscheidend für die Anlageentscheidung."
"Fehlallokationen verhindern"
Hier setze Quantamental Investing an. Der Prozess beginne mit einem modellbasierten Screening, das täglich sämtliche Aktien eines Anlageuniversums auf ihre fundamentalen und technischen Eigenschaften hin analysiere. Doch bevor aus einer Signalaktie ein Investment werde, folge ein qualitatives Review durch ein Analystenteam. "Dabei überprüfen Portfoliomanager zum Beispiel, ob es Anomalien bei den Daten gibt, ob Quartalszahlen einmalig verzerrt sind oder ob es makroökonomische Ereignisse gibt, die das Modell nicht berücksichtigt", erläutert Sauer.
Als Beispiel verweist sie auf den Börsencrash zu Beginn der Corona-Pandemie. Damals hätten Quant-Modelle bestimmte Fluggesellschaften aufgrund historisch attraktiver Kennzahlen als Kaufkandidaten eingestuft. "Aber die Portfoliomanager wussten, dass diese Zahlen in der neuen Realität nicht mehr belastbar waren – Stichwort Reiseverbote, sinkende Auslastung, Kapitalbedarf. In solchen Fällen kann der Mensch dann eingreifen und Fehlallokationen verhindern", sagt Sauer.
"Es geht nicht darum, die perfekte Strategie zu bauen"
Quantamental sei allerdings kein Allheilmittel. "Wir sehen es als methodischen Fortschritt, nicht als endgültige Lösung. Es geht nicht darum, die perfekte Strategie zu bauen – sondern eine, die robust ist gegenüber unterschiedlichen Marktumfeldern", erläutert die Lazard-Expertin. Entscheidend sei, dass Mensch und Maschine nicht in Konkurrenz zueinander stünden, sondern sich sinnvoll ergänzten.
Alles in allem sei Quantamental Investing kein Marketingbegriff, sondern eine "realistische Antwort auf die wachsende Komplexität in der Kapitalanlage", meint Sauer. "Wir leben in einer Welt, in der weder Intuition noch Rechenlogik allein ausreichen. Aber gemeinsam können sie eine starke Basis für fundierte Investmententscheidungen bilden." (fp)