Analystin: Warum französische Staatsanleihen nicht stärker einbrechen
Trotz Politchaos und ungebremstem Verschuldungsanstieg zeigen sich französische Staatsanleihen überraschend stabil. Die Gründe dafür nennt Aline Goupil-Raguénès von Ostrum Asset Management.
Der Zinsaufschlag auf französische Staatsanleihen ist mit der Regierungskrise zwar gestiegen, doch trotz einer Schuldenquote Frankreichs von mehr als 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibt die Nachfrage nach den französischen Zinspapieren erstaunlich hoch. Dass Anleger auch bei den jüngsten Emissionen zugegriffen haben, liegt nach Ansicht von Aline Goupil-Raguénès, Analystin beim französischen Investmenthaus Ostrum Asset Management, an mehreren Gründen.
Zum einen sei der französische Anleihenmarkt einer der liquidesten und tiefsten in der Eurozone, was ihn für Anleger besonders attraktiv mache. Und: "Frankreich gilt als glaubwürdiger Emittent, der seine Schulden bedienen wird", so Goupil-Raguénès. Einen weiteren Grund sieht sie bei den institutionellen Investoren in Frankreich: So konnten insbesondere französische Versicherer, die nach langfristigen festverzinslichen Wertpapieren suchen, von den höheren Zinsen profitieren und nutzten diese zum Nachkauf.
Ratingagenturen dürften Frankreich abstrafen
An eine rasche Besserung der politischen und fiskalischen Situation glaubt die Analystin nicht: "Die fehlende Mehrheit der Regierung schränkt ihre Möglichkeiten ein, die notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung zu ergreifen, um die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP zu stabilisieren." Die Ernennung eines neuen Premierministers werde daran ebenso wenig ändern wie eine mögliche Auflösung der Nationalversammlung. Vor diesem Hintergrund geht die Expertin davon aus, dass die Ratingagenturen die Bonität Frankreichs herabstufen werden: "Fitch und S&P könnten sie schnell auf 'A+' herabstufen, verbunden mit einem negativen Ausblick." Die Märkte hätten diese Herabstufung aber bereits eingepreist.
Stärkere Auswirkungen hätte eine Verschärfung der politischen Situation, sagt die Analystin: "Die Anleger würden im Falle eines Extrem-Szenarios, das wir nicht erwarten, wie beispielsweise dem Rücktritt des Präsidenten der Republik, vorsichtiger gegenüber französischen Staatsanleihen werden." Emmanuel Macron habe dies jedoch ausgeschlossen und erklärt, dass er seine Amtszeit bis zum Ende ausüben werde.
Keine Hilfe von der EZB zu erwarten
Von der EZB erwartet sie keine gezielten Maßnahmen zur Stützung Frankreichs, da gegen das Land bereits ein Verfahren wegen des übermäßigen Defizits laufe. Eine unwahrscheinliche Ausweitung der Krise auf Staatsanleihen anderer Euro-Staaten könnte nach ihrer Meinung die EZB aber dazu veranlassen, mit ihrem Transmission Protection Instrument (TPI) einzugreifen, um "unbegründete und ungeordnete Marktdynamiken zu bekämpfen, die eine ernsthafte Gefahr für die Transmission der Geldpolitik innerhalb der Eurozone darstellen". Die aktuelle Situation wirkt aber eher so, als nutzten Investoren die gestiegenen Spreads, um höhere Renditen zu erzielen. (jh)















