Analyst: So kurz sind die Beine politischer Börsen wirklich
Viele Anleger lassen sich bei Investments von Börsenweisheiten leiten. Dabei muss man den Wahrheitsgehalt vieler anzweifeln. In einem Fall aber lässt sich die Weisheit mit Fakten untermauern, wie HQ-Trust-Experte Pascal Kielkopf herausfand.
Kaum ein Börsenspruch ist so bekannt wie "Politische Börsen haben kurze Beine". Die Idee dahinter: Politische Ereignisse können zwar kurzfristig für Turbulenzen sorgen, doch die Märkte finden rasch zurück in ihre gewohnte Spur. Doch stimmt die Aussage? "In der Vergangenheit hatten politische Börsen tatsächlich meist kurze Beine", bejaht das Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst des Bad Homburger Multi-Family-Offices HQ Trust, und führt in einem Beitrag die Gründe dafür aus.
Um die Auswirkungen einer politikbezogenen wirtschaftlichen Unsicherheit zu messen, griff Kielkopf auf die Daten des US-Economic-Policy-Uncertainty-Index (EPU-Index) zurück, der auf Zeitungsmeldungen sowie Daten der Zentralbank und des Congressional Budget Office basiert. Er identifizierte für den Zeitraum von 1950 bis heute alle Phasen, in denen der monatlich berechnete EPU-Index im jeweiligen politischen Umfeld besonders starke Ausschläge verzeichnete. Dazu zählten etwa Russland- und Finanzkrise, der Brexit und die Corona-Pandemie.
Vergleich des EPU-Index mit dem S&P 500
Diese Phasen stellte der Analyst den Bewegungen des US-Aktienindex S&P 500 gegenüber – sowohl in der unmittelbaren Reaktion der Märkte als auch im mittelfristigen Verlauf. Besonders im Fokus: Wie tief fallen die Aktien in Momenten politischer Unsicherheit – und wie stark erholen sie sich anschließend?
Die Antworten sind klar. "Kurzfristig reagieren die Börsen durchaus auf erhöhte Unsicherheiten: Im Schnitt ging der S&P 500 in solchen Phasen um 9,2 Prozent zurück. Bemerkenswert ist, dass der Aktienindex in 17 von 18 gemessenen Phasen nachgab", so Kielkopf. Besonders groß seien die Unsicherheit und damit die Kursrückgänge in den Jahren 1987, 2008 und 2020 gewesen. "Damals sorgten der Schwarze Freitag sowie die Finanz- und die Corona-Krise für fallende Kurse."
Drei Monate später – alles wieder im Lot
Kurze Zeit später zeigten sich die Börsen zumeist schon wieder deutlich besser gelaunt: "Drei Monate nach einer Phase erhöhter Unsicherheit notierte der S&P 500 im Schnitt 14 Prozent höher", so Kielkopf. Aber auch hier gab es Ausnahmen von der Regel: "In den Jahren 2000 sowie 2008, wo gleich zwei Phasen erhöhter Unsicherheit gemessen wurden, hielt diese drei Monate später immer noch an. Besonders kräftig nach oben ging es mit den Aktienkursen dagegen in den Jahren 1991, 1998 sowie 2020."
Der Experte rät daher Anlegerinnen und Anlegern, in solchen Phasen besonnen zu agieren: "Wer panisch verkauft, realisiert oft Verluste und verpasst die Erholung." Denn die Rückgänge an den Börsen erhöhten nicht selten den politischen Handlungsdruck, was zu stabilisierenden Maßnahmen mit der Folge führt, dass sich die Märkte oft rasch wieder erholen. "Im Gegenteil haben sich Rücksetzer im Umfeld politischer Krisen sogar meist als günstige Gelegenheiten für Zukäufe oder das Aufstocken bestehender Positionen erwiesen", so Kielkopf. (fp)