Analyse: Zu viel soziale Gleichheit bremst Wirtschaft, zu wenig auch
Soziale Ungleichheit gilt als problematisch für eine Gesellschaft. Ein zu hohes Maß an sozialer Gleichheit kann aber ebenfalls Tücken bergen. Denn individuelle Aufstiegschancen und Wachstum werden verbaut, meinen die Volkswirte der DWS.
Zwischen Ökonomen schwelt ein Streit über die soziale Gerechtigkeit. Die Volkswirte der Fondsgesellschaft DWS argumentieren, dass es sowohl zu viel als auch zu wenig Ungleichheit geben kann. "Einige Ökonomen argumentieren, dass Ungleichheit Anreize schafft, zu arbeiten und sowohl in Sachkapital als auch in Bildung zu investieren", erläutern die Experten der DWS.
Dementsprechend würden staatliche Umverteilungsmaßnahmen zu einer Verringerung der Anreize für Arbeit und Investitionen führen, was letztlich zu einem Rückgang der Produktion führe. "Ein höheres Maß an Ungleichheit wäre demnach mit einem höheren Wachstum des Bruttoinlandsproduktes verbunden", so die DWS-Strategen.
Begrenzte Anreize
"Andere Ökonomen argumentieren, dass eine höhere Ungleichheit arme Menschen davon abhält, sich auf dem Arbeitsmarkt zu engagieren, weil die Chancen auf Erfolg zu gering sind", zeigen die DWS-Analysten die Gegenposition auf. Gleichzeitig hätten Top-Verdiener nur begrenzte Anreize zur Arbeitsaufnahme, weil ihre soziale Position bestens gesichert sei – etwa durch ererbten Reichtum.
"Darüber hinaus zeigen die Daten, dass reichere Menschen eher zum Sparen als zum Ausgeben neigen", so die DWS-Volkswirte. So gebe es bei zu großer Ungleichheit auch ein Problem mit der Nachfrageseite. "Wegen der geringeren Konsumneigung der Reichen kann die Nachfrage ins Stocken geraten, wenn der Wohlstand zu sehr am oberen Ende der Einkommensleiter konzentriert ist."
Nah am Optimum
Die DWS-Experten verweisen darauf, dass beide Lager gute Argumente hätten. So gebe es ein zu wenig und ein zu viel an Gleichheit und damit an Umverteilung. "Entsprechend gibt es auch ein Optimum", erläutern die Investmentprofis. Zu den wenigen Ländern, die eine zu geringe Ungleichheit aufweisen, zählten Tschechien und skandinavische Staaten. "Hier würde mehr Ungleichheit zu mehr Wachstum führen", meinen die Strategen. "Die G7-Staaten liegen ungefähr am Optimum, während viele Schwellenländer eine zu hohe Ungleichheit aufweisen." (ert)