Den jüngsten Akt im Drama um die US-Zölle läutete ein Bundesgericht in New York ein. Die Richter erklärten nahezu alle im Zuge des "Liberation Day" Anfang April verhängten und angedrohten Zölle für rechtswidrig. Die Aufhebung der Zölle wurde vom Berufungsgericht jedoch umgehend und bis zum Abschluss der weiteren Prüfung gestoppt. 

Doch selbst wenn man die Zölle außen vor lässt, sieht Allianz-Anlagechef Ludovic Subran wenig Gründe für Entwarnung an den Märkten. "Wir können noch weitere Liberation Days erleben", sagt er im Interview mit FONDS professionell. Subran ist Chefvolkswirt und seit Anfang dieses Jahres auch Anlagechef (Chief Investment Officer, CIO) der Allianz-Gruppe. Damit trägt er die Hauptverantwortung für die Anlage von rund 750 Milliarden Euro an Versicherungsgeldern.

"Tempelwächter der Marktwirtschaft"
Neben den Zöllen denkt er bei Risiken insbesondere an eine drohende Rezession in den USA, die überbordende US-Staatsverschuldung und weitere politische Überraschungen aus Washington. Hoffnung setzt er dagegen in die Märkte: Sie haben laut Subran die Macht, die US-Politik zu zügeln. Das habe etwa die Reaktion der US-Anleihenmärkte nach den verbalen Angriffen auf Fed-Chef Jerome Powell gezeigt. "Die Anleihenmärkte sind so etwas wie die Tempelwächter der Marktwirtschaft", sagt Subran.

Er sieht durchaus eine Strategie hinter Trumps Attacken. "Viele Menschen glauben, dass Präsident Trumps Politik irrational oder schlichtweg dumm ist. Das glaube ich nicht", so Subran. Trump habe die große Ungleichheit zwischen den Beziehern von Arbeits- und von Kapitaleinkommen richtig erkannt. Nun wolle er die alten Industriejobs zurückholen in die USA, zu welchem Preis auch immer. Aber die Kosten seien hoch und die Erfolgsaussichten extrem gering.

Inflation radiert Erfolge aus
Steuerliche Maßnahmen oder auch Investitionsförderungen seien erfolgversprechender. Ähnliches hatte die Vorgängerregierung mit dem "Inflation Reduction Act" verfolgt. Allerdings hat der Inflationsschub die Gewinne der Arbeitnehmer weitgehend ausradiert. "Das sollte allen Politikern eine Lehre sein", so Subran: "Auch Trumps Agenda wird zu Inflation führen und noch sehr viel mehr Probleme für die US-Mittelschicht schaffen."

In Deutschland hält er die Reform der Schuldenbremse für richtig. Trotzdem stehe den Deutschen nun kein Spaziergang bevor: "Dazu sind die Probleme und Aufgaben zu groß – allen voran bei Infrastruktur und Energienetzen, Arbeitsmarkt und Demografie." Er fordert zudem eine klare Vision für Europa und unsere Rolle in der Welt: "Das alles braucht Zeit, aber ich glaube, Deutschland ist auf dem Weg", sagt Subran.

Defensive Aufstellung der Asset-Allokation
Im aktuellen Umfeld investiere die Allianz eher defensiv. "Bei der Neuanlage bevorzugen wir Staatsanleihen und Covered Bonds. Bei Unternehmensanleihen legen wir besonders viel Wert auf Qualität und Selektivität", so Subran. Offene Dollar-Positionen sichere man ab. Für europäische Aktien ist der Anlagechef konstruktiv, besonders für Small Caps.

Mit Blick auf die steigende Verschuldung einiger Euro-Mitgliedsstaaten äußert sich Subran zwar besorgt, er schließt eine Neuauflage der Euro-Krise von 2012 allerdings aus. "Die Europäische Zentralbank wird im Notfall immer einspringen", so Subran. Er sieht kein Ausfallrisiko der Staatsanleihen – nicht bei den Euro-Staaten und auch nicht in den USA. (jh)


Einige ausgewählte Zitate aus dem Interview mit Ludovic Subran haben wir in der Bilderstrecke oben für Sie zusammengetragen, einfach durchklicken. Das vollständige Gespräch finden Leser ab Seite 96 in Ausgabe 2/2025 von FONDS professionell, die in diesen Tagen zugestellt wird, oder nach Anmeldung hier im E-Magazin.