Die Börse gilt als Ort rationaler Bewertung – doch am Fall des dänischen Windkraftkonzerns Ørsted zeigt Marc Decker, Co-Leiter Aktien der Quintet Private Bank, wie schnell politische Macht diese Logik aushebeln kann.

Ørsted steht für eine neue Realität
Um was es geht: Der dänische Konzern wurde mitten im Bau seines Offshore-Projekts "Revolution Wind" von der US-Regierung unter Donald Trump gestoppt. 45 von 65 Windrädern waren da bereits installiert. Die Begründung: nationale Sicherheitsinteressen. Ørsted kann sich juristisch nur schwer gegen den Baustopp wehren – Sicherheitsinteressen sind rechtlich kaum angreifbar. Diplomatisch fehlt der Rückhalt, strategisch droht der Rückzug aus dem US-Markt. Die Konsequenz laut Decker: "Ein Kurssturz von mehr als 30 Prozent, Milliardenverluste, strategische Unsicherheit."

"Ørsted ist kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Trends: Die Rückkehr des Staates als aktiver Akteur in der Wirtschaft. Ob durch Subventionspolitik, Exportkontrollen oder regulatorische Eingriffe – Unternehmen in bestimmten Sektoren stehen zunehmend unter politischer Beobachtung", stellt Decker fest.

Diese Branchen sind besonders betroffen
Besonders betroffen seien Unternehmen aus dem Versorgungssektor, die Preisregulierung und Infrastrukturvorgaben unterliegen. Zuletzt wurden laut Decker auch Maßnahmen im Gesundheitssektor bekannt, wo vor allem von US-Behörden Zulassungen hinterfragt und Reformen eingefordert werden. In der Energiewirtschaft bleibe zwischen Klimapolitik und geopolitischer Versorgungssicherheit kaum Raum für unternehmerische Freiheit. Und auch der Hochtechnologiesektor werde zunehmend im Rahmen der gegenwärtigen Handelskonflikte als politisches Instrument eingesetzt.

Politische Risiken als zentrale Bewertungsfaktoren
Die Lektion ist für den Aktienexperten klar: "Politische Risiken sind nicht länger Randnotizen in Analystenberichten. Sie sind zentrale Bewertungsfaktoren – und sie betreffen nicht nur Schwellenländer, sondern zunehmend auch westliche Demokratien." Ørsted stehe exemplarisch für eine neue Realität: "Wenn Märkte politisch werden, kommt für Anleger eine neue Entscheidungsdimension hinzu – und noch dazu eine schwer kalkulierbare", so Decker.

Anleger können seiner Ansicht nach darauf reagieren, indem sie exponierte Sektoren reduzieren oder auf Geschäftsmodelle achten, die vor politischem und regulatorischem Hintergrund robust erscheinen. Doch klar ist: Qualität bleibt auch dann entscheidend, wenn die Politik die Karten mitmischt. (jh)