Acatis-Chef: "Wir werden unsere Gewichtungen neu ausrichten"
Hendrik Leber zieht Parallelen zwischen Trump und dem römischen Kaiser Nero. Um Untergangsstimmung in seinen Portfolios zu vermeiden, verschiebt der Acatis-Chef den Anlageschwerpunkt deutlich nach Japan, Europa und China.
Das Stakkato an Präsidenten-Dekreten, Zollankündigungen und -aussetzungen und sonstigen Störgeräuschen macht es schwer, einen klaren Punkt zu finden. Das musste auch Acatis-Chef Hendrik Leber erleben, der seinen neuen Investmentbericht gleich mehrmals an das aktuelle Geschehen anpassen musste. Doch seine Aussage ist eindeutig: "Wir werden unsere Gewichtungen neu ausrichten: weniger USA, mehr Japan, mehr Europa, mehr China."
USA verspielen ihre Sonderstellung
"Was anfangs noch eine clowneske Situation war, hat sich innerhalb weniger Tage in großen Ernst verwandelt", so Leber: Wenn er Donald Trump im Fernsehen sieht, fühlt er sich zugleich an Don Vito Corleone aus "Der Pate" und an Kaiser Nero erinnert. Klare Linie in dem Chaos: "Nur wer sich ihm unterwirft, hat Zugang zu ihm und genießt seine Protektion." Lediglich seine offensichtliche Unterwürfigkeit gegenüber Wladimir Putin passe nicht in dieses Bild.
Trump denke ausschließlich in der Logik eines Dealmakers zum vermeintlichen Vorteil Amerikas. Dies führe zu weiteren brisanten Themen, die in Trumps Reden immer wieder auftauchen, wie der Möglichkeit, Kanada als 51. Bundesstaat der USA einzugliedern, und auch Mexiko, Panama, Grönland und den Gazastreifen als potenzielle Ziele zu diskutieren. "Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr", so Leber. Die Rolle der USA als Weltpolizist und diplomatischer Verbündeter scheine endgültig vorbei zu sein. "Bündnisse mit den USA verlieren an Wert", so der Acatis-Chef.
Unkenntnis internationaler Wirtschaftszusammenhänge
Auch dass Zölle von den importierenden Bürgern und nicht vom Exporteur bezahlt werden müssen, sei Trump offenbar nicht bewusst. Vor allem stehe dahinter ein völliges Missverständnis der Logik internationaler Wirtschaftsbeziehungen: "Ein Handelsbilanzdefizit stellt einen Kredit dar, den das exportierende Land dem Importeur gewährt, und die Rückzahlung erfolgt über Dienstleistungen, Tourismus oder die Kapitalverkehrsbilanz", so Leber. Amerikas Schulden im Ausland seien Beleg dafür. Er warnt: "Wenn große Geldgeber wie Japan oder China keine US-Staatsanleihen mehr kaufen, fällt der US-Dollar, und Importe in die USA werden teurer." Die Zölle werden selbstverständlich zu Gegenmaßnahmen führen, und am Ende nehmen alle Schaden.
Leber zieht Parallelen weltgeschichtlicher Dimensionen zwischen Trump und Nero: "Während Nero angeblich Teile Roms abbrennen ließ, um danach sein goldenes Haus zu bauen, zerstört Trump Teile der amerikanischen Staatsverwaltung und bricht bestehende internationale Handelsabkommen." Wie Nero die unhygienischen Stadtteile Roms beseitigen wollte, so wolle Trump den sogenannten "Deep State" aufräumen. Der von Trump mit der Staatsverschlankung beauftragte Elon Musk gehe dabei mit einer Holzhammermethode vor: Er kürze Personal bei der Flugsicherung, der Gesundheitsbehörde, der Wettervorhersage und der Aufsicht über das Atomwaffenarsenal und streiche Gelder für die Entwicklungshilfe.
Portfolios neu ausrichten
Acatis richtet daher die Anlagestrategie neu aus, so Leber: weniger USA, mehr Japan, mehr Europa, mehr China. "Wir möchten mehr in Japan investieren. Einige japanische Unternehmen sind weitgehend unbekannt, aber in ihren Bereichen Weltmarktführer und dabei günstig bewertet", so Leber. Für Europa sieht er starke Argumente in attraktiven Bewertungen und Branchen. "Während Frankreich und Italien weltweit führende Luxusmarken besitzen, haben die deutschsprachigen Länder ihre Stärken in der Technologie. Die kleinen europäischen Länder wie Dänemark, Niederlande oder Schweiz stellen außergewöhnlich starke Weltmarktanbieter in Nischenmärkten." In konsumnahen und IT-intensiven Branchen sieht er weiter die USA in starker Position. Doch auch auf China hält Leber große Stücke: "China wird unterschätzt und ist derzeit günstig zu haben." Zudem baue das Land seine Stellung bei wichtigen Schlüsseltechnologien immer weiter aus.
Donald Trump setze zwar viele seiner Versprechen an die Wähler um. Und: "In vielen seiner Handlungen steckt ein plausibler Kern", so Leber. Doch aus seiner Sicht seien diese Maßnahmen schädlich für die Welt und die US-Wirtschaft. "Wir glauben, dass der Preis dafür bald in stark fallenden Börsenkursen und steigenden Zinsen sichtbar werden wird", so Leber. Auch hier scheint die Realität seine Annahme in den vergangenen Tagen bereits überholt zu haben. (jh)