Fidelity-Stratege Roemheld: "Das letzte Jahr war dramatisch"
Auf dem FONDS professionell KONGRESS in Wien referierte Fidelity-Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld über den aktuellen Zinszyklus und die Rolle der Notenbanken. Er mahnte, nicht in den Glauben zu verfallen, dass die Währungshüter immer alle retten können.
Die Weltwirtschaft steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Geopolitik, gewaltige Schuldenberge und hohe Inflationsraten. "Das ist ein großes Sortiment an Risikofaktoren", stellt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, bei seinem Vortrag auf dem FONDS professionell KONGRESS in Wien klar. "Das letzte Jahr war dramatisch. Vor allem, weil alle Anlageklassen im negativen Bereich waren", lässt Roemheld das abgelaufene Jahr Revue passieren. Das war freilich eine Anpassung an die neue Zinslandschaft. Doch der Kapitalmarktexperte sieht vorerst wenige Gründe für Optimismus.
Wirtschaftswachstum erwartet Roemheld in näherer Zukunft nämlich nur in den asiatischen Ländern und den Emerging Markets. Die Wirtschaftsleistung der westlichen Nationen sieht er indes bei unter einem Prozent. "Es könnte aber noch schlimmer kommen", mahnt Roemheld. Denn seiner Meinung nach ist die Rezessionsgefahr keineswegs vom Tisch. Zwar laufe die Wirtschaft derzeit noch gut. Die Effekte der Notenbankpolitik würden sich aber erst bis zu zwei Jahre später zeigen. "Wir hatten in den letzten 30 Jahren keinen so starken Zinszyklus, wie wir ihn in den letzten zwölf Monaten gesehen haben", gibt der Fidelity-Mann zu bedenken.
Notenbanken haben nur begrenzte Möglichkeiten
Entscheidend werden jedenfalls die Inflationsraten sein. Zwar würden die Notenbanken gegen die hohen Preise vorgehen. "Aber eigentlich können sie das ja gar nicht", erklärt Roemheld. Nach den durch Corona verursachten Ausfällen in den Wertschöpfungsketten seien die Preissteigerungen nämlich vor allem von der Angebotsseite getrieben. Und diese Probleme seien weiterhin nicht vollständig gelöst. Die Möglichkeit einzulenken, hätten die Notenbanken indes nur auf Nachfrageseite. Etwa indem die Währungshüter versuchen, die Kreditvergabe so restriktiv wie möglich zu gestalten. "Einzige Möglichkeit, die Inflation zu stoppen, ist die Wirtschaft stark zu verlangsamen, und das braucht eine Weile", sagt Roemheld und fährt weiter fort: "Wir sind in der spannenden Phase, in der wir diese Effekte noch nicht sehen."
Zinssenkungen hält Roemheld daher auf absehbare Zeit für unwahrscheinlich. "Das haben noch nicht alle akzeptiert", kritisiert er. Man falle nämlich immer wieder zu dem Glauben zurück, dass die Zentralbanken einen schon retten würden, wenn es kritisch wird. "Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Zentralbanken das noch leisten können." Anleger sollten sich darauf einstellen, dass die Zinswende in zwei Schritten passiere: "Letztes Jahr kam der Zinsschock, was die Asset-Klassen sehr stark unter Druck gebracht hat." Dieses Jahr sei die Frage, wie lange dieser Schock anhalten wird und wann die Marktteilnehmer realisieren, dass die Zinsen nicht so bald wieder sinken werden. "Für alle, die Geld allokieren, bedeutet das, dass sie sich auf dauerhaft hohe Zinsen einstellen müssen."
Die höheren Zinssätze sieht Roemheld aber nicht per se als negativ an: In der Niedrigzinsphase sei "Geld in Dinge geflossen, die einfach nicht rentabel waren. Man muss Unternehmen auch pleite gehen lassen. Der natürliche Zyklus muss weitergehen. Und das war bei den Negativzinsen einfach nicht gegeben." (cf)