Anleger wie Berater haben es im Vorjahr leidlich miterlebt: "2022 war ein mieses Aktienjahr und ein desaströses für Renten. Egal in welchem Aktienmarkt Sie investiert waren, Sie haben Geld verloren", beginnt DJE-Vorstand Ulrich Kaffarnik seinen Vortrag auf dem FONDS professionell KONGRESS in Wien. Am besten beraten waren Investoren noch mit Investments in Europa. Und auch jetzt, wo die Märkte wieder steigen, können sich europäische Aktien beweisen: "Wir sehen seit Mitte Oktober 2022 eine starke Outperformance in Europa", lässt Kaffarnik die vergangenen Monate Revue passieren. Ein Desaster war allerdings der Rentenmarkt in Europa und auch in den USA. Hier wäre es am besten gewesen, im chinesischen Anleihenmarkt investiert gewesen zu sein.

Hohe Inflation bleibt uns wohl noch länger erhalten
Neben der Entwicklung an den Börsen zählte wohl die starke Preissteigerung zu den meistdiskutierten Themen im Jahr 2022. Was die Inflationserwartungen angeht, sieht Kaffarnik die Stimmung drehen, "von einer großen Inflationsfurcht hin zu starkem Optimismus", wie er sagt. Die Kerninflation in der Eurozone steigt aber noch, gibt er zu bedenken. "Es ist zu befürchten, dass die Notenbanken die Zinsen also noch stärker anheben, als uns das lieb ist."

Haupttreiber der Preissteigerungen seien inzwischen nicht mehr die Energiepreise, sondern Nahrungsmittel. Die Energiepreise sind indes stark gesunken. So lag etwa der Gaspreis Ende 2022 in Europa niedriger als Anfang 2022. In den kommenden zwei Jahren sollte die Inflationsrate laut "Breakeven Inflationserwartungen" auf rund drei Prozent sinken. "Das Problem wird das Jahr 2023 und Anfang 2024 sein, wo die Inflation noch höher ist und die Notenbanken darauf reagieren werden."

Es war vieles schon viel schlimmer
Daneben findet Kaffarnik in seinen für das Referat mitgebrachten Folien aber auch zahlreiche positive Aspekte und Aussichten: So sind die negativ verzinslichen Schuldtitel verschwunden. Die Assets jener Anleihen, die negativ verzinst waren, bezifferten sich im Jahr 2021 noch auf stattliche 18 Billionen US-Dollar (rund 16,95 Billionen Euro) und sind nun auf null gefallen. "Ich würde sagen, dass das eine ganz gute Nachricht für Sparer ist", so der Kapitalmarktexperte.

Auch die Konjunkturaussichten sind nach Einschätzung von Kaffarnik nicht schlecht: "Den Einkaufsmanagerindex sehe ich als relativ unkritisch."  Dieser lag zum Jahresbeginn bei 50 Punkten und ist damit weit entfernt vom Corona-Einbruch 2020, als dieser Wert unter 20 Punkte fiel. Auch die Konsumenten würden noch gut mitspielen, hält Kaffarnik fest: Das Konsumentenvertrauen in den USA, auch bekannt als Consumer Confidence Index, liegt bei 107 Punkten. Zum Vergleich: Zur Corona-Zeit waren es unter 90 und zur Finanzkrise 2008 unter 30 Punkte.

Die folgenden Powerpoints zeigen auch gleich die nächsten positiven Faktoren: Zunächst veranschaulicht Kaffarnik, dass die Störung der Lieferketten stark zurückgegangen ist. Das spreche auch gegen den oft diskutierten Punkt, dass das Ende der Globalisierung bevorstehe. "Der Trend ein Stück weg von der Globalisierung ist zwar da", räumt Kaffarnik ein. Die Grafik signalisiere aber kein komplettes Ende.

Außerdem seien Rezessionsängste vorerst nicht angebracht. "Ich war bis jetzt optimistisch, dass keine Rezession kommt, zumindest vorerst nicht kommt", sagt Kaffarnik. Er untermauert das mit den jüngsten Ergebnissen der BofA-Fondsmanagerumfrage: Im November 2022 glaubten 80 Prozent der befragten Fondsprofis noch an eine bevorstehende Rezession, seither ist diese Befürchtung aber kontinuierlich auf inzwischen unter 30 Prozent zurückgegangen. (cf)